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Mein Nein . . . – ein Nachschlag

26 Apr

Die Berliner Zeitung schrieb zum Thema eine Reportage aus Güstrow, wo Manuela Schwesig um Zustimmung zum Koalitionsvertrag warb und titelte

„Wahl zwischen Pest und Cholera“

https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/spd-basis-in-guestrow-bei-wienern-und-filterkaffee-wird-ueber-die-zukunft-deutschlands-entschieden-li.2318909

Wenn ich richtig verstanden habe, ist gemeint mit Pest, dass der Koalitionsvertag so gestrickt ist, dass man ihm eigentlich keinesfalls zustimmen sollte – aber eben nur eigentlich! Mit Cholera aber, oder auch umgekehrt, dass wir schnell eine handlungsfähige Regierung brauchen, da es die schlimmen Zeiten so verlangen, und dass alles andere nur der AfD in die Karten spielen würde. Und hier nun wird die Verantwortung des sozialdemokratischen Genossen ins Spiel gebracht, die schon bei der Zustimmung für GroKo und Ampel strapaziert worden ist, um ein Ja – ein möglichst kräftiges – zu generieren. Und immer hat’s geklappt. Die harmlosere Pest kann so verschwinden im Nebel einer geradezu heroischen Überwindung aller Skrupel bei der Wahrnehmung der eingeforderten Verantwortung. Welch braver Genosse könnte des Nachts noch ruhig schlafen bei dem Gedanken, er könne Schuld sein am Untergang „Unserer Demokratie“, wenn, na Ihr wisst schon . . . oder „Unserer Freiheit“, wenn, wie schon einst Geibel schrieb, die „Horden aus dem Norden“ wieder kämen und Europa . . . – Aber jetzt habe ich schon wieder zu weit ausgeholt für einen Nachschlag. Wollte nur sagen, dass es sich hier nicht um eine schwere Entscheidung handelt, sondern um eine Ausrede für schwache Charaktere. Wer guten Gewissens – nicht eines selbst manipulierten – zustimmen kann, sollte es getrost tun. Verantwortung trägt auch er. Wer aber in der Sache nicht überzeugt ist und dennoch nicht NEIN sagen kann, dem kann man auch das schlechtest mögliche noch vorlegen, und er wird JA sagen, und trägt dafür Verantwortung, aber eine andere, als ihm suggeriert wurde. und nun mein

Leserbrief an die Berliner Zeitung (leicht verbesserte Fassung)

Ich kann nicht zustimmen, dass meine Partei einen BlackRock-Lobbyisten für ihr Überleben in Regierungsämtern erkoren hat. Die verbleibende seltsam traurige „Demokratische Mitte“, die keine demokratischen Ränder kennt, predigt Zusammenhalt. Die aufgeweckteren Parteifunktionäre fürchten zurecht jeweils um die Kenntlichkeit ihrer Parteien, die durch all die verqueren Regierungskonstellationen hindurch schwer gelitten hat. Opposition gab es nur von Seiten der verteufelten Ränder, abgesehen von lächerlichen Plänkeleien innerhalb schützender Brandmauern in Bundestag und Medien. Wie ist nun der geforderte Zusammenhalt in den allerseits anerkannten Krisen zu erreichen? „Volksgemeinschaft“ und wie es hieß „sozialistische Menschengemeinschaft“ sind, wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen, gescheitert. Einen neuen Ansatz, für hier und heute, will nun der Koalitionsvertrag als letzte Rettung bieten. Mein kurzes Resümee: er weist einen gefährlicher Weg! Beschwörung von lang- und kurzfristig gepflegten Feindbildern. Gefahren, gegen die man gewappnet sein soll, nach innen und außen. Wehr- und Kriegstüchtigkeit. Aufrüstung. Waffenlieferungen, und zwar dorthin, wo unsere Freiheit etc. angeblich verteidigt wird. Endlich dann selbst bereit sein, unsere Werte, wie einst am Hindukusch, nun in aller Welt zu verteidigen. Diplomatie – Fehlanzeige. Dafür – Geschichtsvergessenheit, wo immer unsere Selbstgerechtigkeit sie verlangt. Und viele halbherzig unter finanziellen Vorbehalt gestellte marginale Versprechen für sich bedürftig Fühlende. Die Koalitionäre sind`s zufrieden. Aber die Zeiten haben sich gewendet. Schwarz/Rot wird übermütig Reiche und verschämt Arme nicht versöhnen. Und die Regierung wird genötigt sein, bei der Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft, die dazu üblichen Mittel einzusetzen. Da wird kein Platz sein für Erneuerung, weder personell noch programmatisch! Der Anfang, realitätsfern, ist schon gemacht!

Brief an den SPD-Parteivorstand

11 Mär

vom 23. Februar 2025

Was kann nach dieser Niederlage noch kommen?

Genossinnen und Genossen, seit 1990 habe ich viele Wahlniederlagen erlebt und viele Beteuerungen, die SPD zu erneuern. Selten bezog sich dies sich auf ihren Kurs und ihr Programm. Die letzte Erneuerung sollte sich lediglich auf Modernisierung beschränken, was immer das bedeutet hat.

Heute höre ich, soll es einen Generationenwechsel geben. Klingbeil meldet damit unverblümt seinen Anspruch an. Ich würde die Forderung eines Rücktritt des gesamten Vorstands unterstützen. Zumindest nach außen hat der Vorstand alle prekären Personalien gefühlt einstimmig abgenickt. Die Vorsitzenden haben die Partei unprofessionell geführt. Klingbeil wollte Taurus liefern, Esken war in ihrer Performance undiskutabel. Kühnert hat nach seiner formidablen Groko-Gegnerführung jegliche politische Glaubwürdigkeit verloren. Es hat also weniger an einer Generationenfrage gelegen, wobei kontinuierliche Verjüngung nie schaden kann! Wenn auch Pistorius im Beliebtheitsranking weit vor Scholz gelegen hat, wäre die Partei schlecht beraten gewesen, ihn noch schnell zu nominieren. Ich rate dessen ungeachtet dringend von einem Kriegstüchtigkeitskanzler ab. Die außenpolitische Ausrichtung ist desaströs. Das betrifft aber nicht nur die SPD, sondern alle Parteien bis hin zum BSW. Im internationalen Horizont ist die hiesige mediale und mit ihr verbunden die politische Einschätzung der Geschichte und Realität des Krieges in und um die Ukraine völlig einseitig, und damit realitätsfern und gefährlich. Das ganze militaristische Getöse, das sich nach den absehbaren Trump-Putin-Verhandlungen verdoppelt hat, die einen Frieden in greifbare Nähe rücken, baut allein auf jener gewollten Fehleinschätzung auf. Die damit verbundenen Begehrlichkeiten des militärisch-industriellen Komplexes sind unübersehbar.

Hier läge eine Chance, neben der Neubesinnung auf viele andere vergessene Markenzeichen, die Realitäten wieder wahrzunehmen – die einzig mögliche Chance für einen Neuanfang. Was ist das für ein Armutszeugnis, die Sorgen und Nöte wieder in Betrachtung ziehen zu wollen, oder ähnlich wie die Grünen, diese an Küchentischen zu erfahren, oder ähnlich wie die LINKEN, an hunderttausend Haustüren zu klopfen. Es sollte nicht darum gehen, in Selbstlob für kleine, stümperhafte Verbesserungen „für die Menschen“ zu versinken! Eine Partei, die für alle wählbar sein will, ist keine Partei mehr, sondern eine erbärmliche Agentur fürs Regieren um jeden Preis. Die SPD hat nicht das Vertrauen der Menschen verloren, sondern sie hat ihre Seele verloren. Und das nehmen genau jene wahr, für die sie Partei sein sollte, und einst, in bestimmten Perioden, auch war.
Ob die Partei die Kraft zu echter Erneuerung finden wird, ist eine ernste Frage, und sollte radikal beantwortet werden!

Erneuerung der SPD? – Und wenn, wie?

3 Mär

Noch nach jeder der letzten vier verlorenen Bundestagswahlen wurden Forderungen der Basis nach Erneuerung laut. Und jedes Mal gelang es der Parteiführung, diese Rufe aufzunehmen, und sie in eigener Regie ins Leere laufen zu lassen. Unter „Verantwortung übernehmen!“ verstanden die Parteioberen immer, nichts aus dem Ruder laufen zu lassen. Und das hieß, jeden möglichen Schwenk nach links zu verhindern und am Schröder’schen Erfolgskurs des Sozialstaatsabbaus festzuhalten, was zwar die Chance auf zukünftige Ministerposten sicherte, aber der Partei den kontinuierlichen Weg in die politische Bedeutungslosigkeit bescherte.

Agendaarchitekt und Wahlverlierer Steinmeier griff noch am Wahlabend 2009 nach dem Fraktionsvorsitz, was man ihm auch durchgehen ließ. Martin Schulz dagegen sah am Wahlabend seine Verantwortung unter frenetischem Beifall darin, die Partei zu erneuern und in die Opposition zu führen. Das allerdings schien rasch vergessen, als ihm der Bundespräsident die Chance bot, staatspolitische Verantwortung für sich selbst neu zu definieren, und, wie kolportiert wird, als glühender Europäer, erfolgreich verbissen um das Amt des Außenministers zu feilschen.

Was wird nun nach Abgang von Schulz aus der versprochenen Erneuerung? Bedenken von Delegierten auf dem Bonner Parteitag, wie sich denn die Partei unter den Bedingungen einer Regierungsbeteiligung erneuern könne, wurden versucht zu zerstreuen. Schließlich verbürge Opposition keineswegs eine Garantie auf Erneuerung. Eine bittere aber wahre Erkenntnis, wenn man sich an die Zeit Steinmeier’scher Oppositionsführerschaft erinnert! Völlig verfehlt aber dann der Verweis auf Willy Brandt, der es doch aus dem Außenministerium unter Altnazi Kiesinger CDU) ins Kanzleramt geschafft hätte. Welch ein Hohn, die heutige Situation mit der damaligen vergleichen zu wollen! Brandt hatte durch seine authentische, integre Persönlichkeit und seine klare politische Haltung für seinen Wahlkampf große Teile der Gewerkschaftsbewegung und breite Kreise der Intelligenz, darunter viele Künstler, begeistern können. Sein Wahlsieg und das Motto „Mehr Demokratie wagen“ durften als Zeichen eines geistigen Aufbruchs im Land und in der Partei selbst verstanden werden und führten zu einer historischen Erneuerung in Politik und Gesellschaft. Die mit dem Nobelpreis gewürdigte „Neue Ostpolitik“ wurde nicht erreicht durch einen Kuschelkurs mit den Restposten der Adenauer-Ära, sondern im erbitterten Widerstand gegen die Hardliner von CDU/CSU!

Auffallend ist allerdings, dass, wenn heute die Rede auf Erneuerung kommt, auf Parteivorstandsebene eine große Sprachlosigkeit herrscht, wenn man von Hinweisen auf struktuelle Probleme absieht. Keine Andeutungen auf mögliche Richtungen einer inhaltlichen Erneuerung. Kein Wunder bei der von Spiegeljournalist Markus Feldenkirchen bei „hart aber fair“ zu Recht diagnostizierten „totalen inhaltlichen Entleerung“ als Hauptkriterium der Krise der SPD. Wenn die SPD behaupten kann, der Koalitionsvertrag trüge zu siebzig, ja achtzig Prozent sozialdemokratische Handschrift, die CSU hochzufrieden mit dem Ergebnis ist, und die Kanzlerin pflichtgemäß nur das verlorene Finanzministerium schmerzlich vermisst und stolz ist, allen sozialdemokratischen „Irrwegen“ einen Riegel vorgeschoben zu haben, dann kann das doch nur bedeuten, dass die Handschriften verwechselbar sind, ja, dass man von Handschrift, geschweige denn von sozialdemokratischer eher schweigen sollte! „Sozialdemokratisch“, zu einer Worthülse verkommen, bedeutet denn auch aus dem Mund von Parteiprominenten derzeit nicht mehr als eine hohle Phrase.

Seeheimer“ Olaf Scholz forderte in seinem umfangreichen Profilierungspapier: „Keine Ausflüchte“, „schonungslose Betrachtung der Lage“. Was da versprochen, wird nicht eingelöst. Im Gegenteil – Scholz produziert statt Aufklärung allenthalben Nebelkerzen, und die vom Leser zu gewinnende Erkenntnis, er wäre der bessere Kandidat gewesen. Auch andere beklagen wie er, der Begriff, „Soziale Gerechtigkeit“ würde überstrapaziert, und es reiche nicht, die hart oder überhaupt nicht arbeitenden Menschen in den Fokus zu nehmen. Und damit ist eigentlich schon alles gesagt.

Schulz seinerseits holte noch schnell Lars Klingbeil als Generalsekretär an Bord. Auch dieser Mitglied des konservativen Seeheimer Kreises, womit wohl garantiert ist, in welche Richtung eine programmatische Erneuerung nicht gehen soll.

Was wäre schließlich von der designierten Parteivorsitzenden im Erneuerungsprozess zu erwarten? Nachdem Andrea Nahles ehrlicherweise ihren linken Ambitionen als Jusochefin unter Lafontaine und als Gründungsvorsitzende des Forums Demokratische Linke 21 abgeschworen hat, wohl kaum etwasin diese Richtung. Sie wird als Vorsitzende und Zuchtmeisterin ihrer Fraktion Seit‘ an Seit‘ mit Kauder (CDU) für den Koalitionsfrieden sorgen, sich kämpferisch an Linksfraktion und AfD abarbeiten und hin und wieder eine dann nicht so gemeinte Verbalattacke gegen Merkel reiten. Für einen Aufbruch der SPD zu neuen Ufern, zu stürmisch wachsender Wählergunst, zu einem Wahlsieg bei den nächsten Bundestagswahlen mit krönender sozialdemokratischer Kanzlerschaft, wovon führende GenossInnen schon heftig träumen, wird es da kaum Spielraum geben.

Die SPD hat eine lange Geschichte, die sie, wollte sie sich erneuern, ehrlich aufarbeiten müsste. Von ungebrochenem Stolz müsste sie sich dann allerdings verabschieden.

Seit die SPD parlamentarisch im Reichstag und in Landtagen verankert war, entspann und verhärtete sich ein Kampf, in dem es um die Ausrichtung, um die drohende Entwicklung einer revolutionären zu einer Reformpartei ging, die davon träumte, durch friedliches Hineinwachsen in den Sozialismus, das kapitalistische Ausbeutungssystem überwinden zu können. Übriggeblieben ist ihr Selbstverständnis als Reparaturbetrieb, das Drehen an kleinen Stellschrauben, „um das Leben der Menschen täglich ein bisschen besser zu machen“, wie man es letzthin auf den Werbeveranstaltungen für den Koalitionsvertrag in den schönsten Variationen hören konnte.

Schon 1898, auf dem Stuttgarter Parteitag, mahnte August Bebel: „eine Partei die kämpft, eine Partei die bestimmte Ziele erreichen will, die muss auch ein Endziel haben Wenn man dieses aber pragmatisch ad acta legen wolle, „dann hören wir auch auf Sozialdemokraten zu sein.“* Ein anderer Delegierter ergänzte: dann „kann uns mit Recht gesagt werden: Ihr seid National-Soziale, Ihr seid Christlich-Soziale, Ihr seid Sozial-Liberale, aber bei Leibe keine Sozialdemokraten.“* Das klingt nicht unzeitgemäß. Geht es heute auch nicht mehr um den gleichen Klassenkampf und Sozialismus von vor hundertzwanzig Jahren, so doch um eine Vision, verbunden mit dem wachsenden Bewusstsein der Notwendigkeit einer neuen Systemalternative. Denn immer deutlicher wir, der moderne neoliberale Kapitalismus ist zu keiner einzigen wirklichen Lösung der drängendsten Probleme der Menschheit fähig, schon allein aufgrund seiner inneren Notwendigkeit, Wachstum und Profit unter heute immer schwieriger werdenden Bedingungen zu generieren.

Und hier könnte eine erneuerte SPD ihren unverwechselbaren Platz finden. Nebenbei: auch in Zeiten von Fake News gilt: „Zu sagen was ist, bleibt die revolutionärste Tat.“ Nur wer der Wahrheit dient, hat das Recht von Freiheit und Demokratie zu sprechen. Die Lobeshymnen auf den Koalitionsvertrag zeigen, wie weit die Parteiführung diesem Anspruch nicht gerecht wird.

Allen vagen Erneuerungsversprechen sei entgegnet: Die Erneuerung der SPD wird nur dann wirklich gelingen, wenn sie den modernen, ernst zu nehmenden gesellschafts- und wirtschaftstheoretischen Diskurs aufnimmt, in dem nicht zu unrecht die Marxsche Kapitalismuskritik eine prägnante Rolle spielt. Die Erneuerung wird nur dann gelingen, wenn sie zurück zu ihren Wurzeln findet und sich, frei nach Albert Camus, nicht in den Dienst derer“ stellt, „die die Wirtschaft leiten, sondern „in den Dienst derer, die sie erleiden.“ Sie muss aufhören, mit immer neuen ideologischen Konstruktionen und Umdeutungen ihrer Werte zu versuchen, den klaren Blick auf die unsozialen Wirklichkeiten mit all ihren Gefahren zu verkleistern! Zur Erneuerung gehört auch, sich von einer bedenklichen Technologiegläubigkeit zu trennen. Technologie, die vielbeschworene Digitalisierung eingeschlossen, verändert Lebens- und Arbeitswelt unerbittlich und rasant. Aber: weder werden Technik an sich noch die Träumereien einer entsprechend allumfassenden Bildungsinitiative innerhalb des gegenwärtigen Systems zu Garanten für soziale Gerechtigkeit. Diese muss nach wie vor erkämpft werden. Es gibt in unseren Breiten zwar nicht mehr das bis aufs Blut ausgebeutete Industrieproletariat, aber an seine Stelle ist ein ständig wachsendes Heer raffiniert prekarisierter Menschen getreten. Sich deren Schicksal nicht nur halbherzig anzunehmen, sondern die gesellschaftlichen Ursachen über den nationalen Rahmen hinaus zu bekämpfen, machte den Unterschied und muss zur Kernaufgabe einer erneuerten SPD werden. Nur dann trüge sie ihren Namen zurecht! Die deutsche und internationale Sozialdemokratie wird sich nur dann erneuern können, wenn sie wieder in Theorie und Praxis, ganz gleich ob in Regierungsverantwortung oder Opposition, ihren Horizont über die bestehenden Verhältnisse hinaus erweitert.

*zitiert nach A. Laschitza, „Im Lebensrausch, trotz alledem“ S. 101 Aufbau-Verlag

 

 

Steinmeier überschreitet seine Kompetenzen!

1 Dez

Der ewige Verwaltungsroutinier

Von Michael Jäger / in „der Freitag“ Ausgabe 48/2017 

Es mag den Horizont des Bundespräsidenten übersteigen, aber die Minderheitsregierung birgt Stabilität

Frank-Walter Steinmeier überschreitet eindeutig seine Kompetenzen. Nach Artikel 63 des Grundgesetzes hat der Bundespräsident das Recht, eine Minderheitsregierung abzulehnen und stattdessen Neuwahlen anzuordnen. Sie aber zu erwägen und unter gegebenen Umständen für die bestmögliche Lösung zu halten – sie dem Präsidenten also erst einmal vorzuschlagen –, ist das Recht des Bundestages. Über dieses Recht setzt sich Steinmeier hinweg, wenn er die Parteivorsitzenden der CDU, CSU und SPD an diesem Donnerstag zum Rapport einbestellt, offenbar um sie zur Großen Koalition zu drängen. Er verhält sich, als befänden wir uns im Ausnahmezustand und als dürfe er dann zwar nicht Notverordnungen wie in der Weimarer Republik, aber doch so etwas wie Notvorschläge unterbreiten. Das ist nicht im Sinn des Grundgesetzes. Dieses ist weit entfernt von der undemokratischen Vorstellung, ein Einzelner habe den größten politischen Durchblick. Steinmeiers Auffassung steht nicht über dem Streit der Parteien.

Zudem ist diese Auffassung bekannt: Steinmeiers Verständnis von Politik ist immer das eines machtbewussten Verwaltungsfachmanns gewesen. Seit Gerhard Schröders Regierungszeit ist das klar. Schröder hatte Bodo Hombach als Kanzleramtsminister eingesetzt, weil er einen Ideengeber wollte. Steinmeier verstand es, Hombach auszubooten. Als er selbst Kanzleramtsminister geworden war, liebte er die Regeln, nicht die Kreativität, eigene programmatische Impulse hielt er für überflüssig, und „Vabanquespiele“, schreibt Torben Lütjen in seiner lesenswerten Steinmeier-Biografie, suchte er zu unterbinden. Diese Vorsicht steht einem Außenminister gut an, nicht aber einem Innenpolitiker. Eine Minderheitsregierung ist in

Steinmeiers Augen zweifellos ein Vabanquespiel. Er sieht eine Blockade der Stabilität darin, die er daher als guter Verwaltungsroutinier schon im Vorfeld abzuwürgen versucht.Steinmeier schuf die Agenda 2010, welche Gerhard Schröder dann mit zunehmender Unlust vertreten hat. Als Schröder sie im Wahlkampf 2005 verteidigte und gleichzeitig vor dem sozialen Kahlschlag einer schwarz-gelben Regierung warnte, war das die „Quadratur des Kreises“, wie Lütjen treffend bemerkt. Sein schmales Büchlein sollten alle Sozialdemokraten noch einmal lesen. Es würde ihnen zeigen, dass sich eine inhaltliche Erneuerung der SPD gerade gegen Steinmeier richten müsste, der sie nun als Bundespräsident hintertreibt. Er ist schlimmer als Schröder: Der folgte 2005 seinem Kanzleramtsminister und kämpfte doch als Sozialdemokrat gegen Union und FDP, die Quelle der Agenda-Ideen, so widersinnig das auch war. In diesem Widersinn bewegt sich die SPD noch heute. Deshalb gibt es immer noch oder schon wieder Sozialdemokraten, die der Großen Koalition zuneigen. Für Steinmeier sind beide Optionen gleich akzeptabel, Jamaika oder Schwarz-Rot. Nur eine Minderheitsregierung soll es nicht geben. Aber beide Optionen arbeiten der AfD zu und so der Instabilität.

Den besten politischen Durchblick haben in Wahrheit die Sozialdemokraten, die sich eine Zusammenarbeit mit der Union auf bestimmten Feldern vorstellen und auf anderen nicht. Wenn sich alle Parteien diesseits der AfD so verhielten, liefe es auf ein geregeltes System wechselnder Mehrheiten hinaus und so auf eine stabile Minderheitsregierung. Die Parteien könnten sich etwa einigen, niemals eine auf die AfD angewiesene Mehrheit zu bilden. Das mag über Frank-Walter Steinmeiers Horizont gehen. Die SPD muss sich deshalb nicht noch kleiner machen, als sie ohnehin schon ist.

Olaf Scholz‘ Ausflüchte – oder, wie eine Erneuerung der SPD nicht gelingen wird

8 Nov

Eine Kritik

Hier auch im .pdf Format

von Jost Aé

 

Vorbemerkung: Auf der Webseite von Olaf Scholz sind unter dem 27. 10. 2017 Überlegungen zur Zukunft der SPD zu finden unter: 

O. S.: „Keine Ausflüchte! Neue Zukunftsfragen beantworten! Klare Grundsätze!“

http://www.olafscholz.hamburg/main/pages/index/p/5/3211

Das rebellisch intonierte Motto erweckt hohe Erwartungen! Hier nun der Versuch einer kritischen Würdigung! Die Anmerkungen sind entlang des Textes platziert, so, dass genau verfolgt werden kann, was zur Kritik steht. Zugegeben, durch dieses Verfahren nehmen Originaltext und Kritik gewöhnungsbedürftig viel Raum ein. Um die Tiefe der Scholz’schen Argumentation zu erfassen, war es mir nicht möglich, diesen Nachteil zu vermeiden. Andererseits war es nicht machbar, hier noch andere Themen, wie z. B. das innerparteiliche Demokratiedefizit, zu berühren. Auslassungen am Originaltext, der als Zitat behandelt wird, werden wie üblich gekennzeichnet. Sarkastische Einwürfe möge mir der Leser verzeihen – ich konnte mich ihrer nicht entschlagen!

O. S.: „Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat es nun viermal hintereinander nicht geschafft, die Bundestagswahl für sich zu entscheiden und ein Mandat zur Bildung einer neuen Bundesregierung zu erhalten. …

Keine Ausflüchte: Schonungslose Betrachtung der Lage

 O. S.: „Es ist also Zeit für eine schonungslose Betrachtung der Lage. Die Sozialdemokratische Partei hat strukturelle Probleme. Und da führt es nicht weiter, wenn man sich mit Debatten über Plakate oder darüber aufhält, ob der Kanzlerkandidat falsch beraten war oder etwas falsch gemacht hat. Die Vorschläge, die beispielsweise die Initiative SPD++ zu neuen Organisationsmodellen der Partei gemacht hat, verdienen sorgfältige Erörterung und sollten nicht ungehört verhallen. Aber die Lage kann nur dann in vollem Umfang richtig erfasst werden, wenn nicht Ausflüchte den Blick für die strukturellen Probleme verstellen.“

Schon die „schonungslose Betrachtung“ beginnt damit, den Eindruck zu vermitteln, es ginge bei den Problemen und der notwendigen Erneuerung der SPD allein um strukturelle Probleme: Die strukturellen Probleme der SPD sind Schuld am Wählerschwund! Hätte man – ja wer eigentlich? – auf die SPD++ gehört, dann sähe, so wird die Vermutung nahegelegt, alles ganz anders aus. 

O. S.: „Ausflucht 1: Noch nach jeder gescheiterten Bundestagswahl wurde die fehlende Mobilisierung der SPD zuneigender Wähler thematisiert. Tatsächlich spielen Verluste, die daher rühren, dass Wahlberechtigte, die bei einer vorherigen Wahl die SPD gewählt haben, das nicht mehr tun, eine Rolle.“ Ja, da schau her, würde der verblüffte Bayer dem pfiffigen Hanseaten entgegnen!

O. S.: „ … Abgesehen davon, dass die Wahlenthaltung von Anhängern überwiegend nicht die Folge von anderweitiger Freizeitplanung am Wahlsonntag ist, sondern von Dissens zur Politik ihrer Partei.“

Richtig! Genau dieser Dissens ist, wenn auch nur so nebenbei erwähnt, der entscheidende Punkt!

O. S.: „Diesmal wurde von der SPD geradezu vorbildlich mobilisiert. Sie hat in kurzer Zeit mehr als 25.000 neue Mitglieder gewonnen.“ Das ist allerdings für einen wirklichen Aufbruch bei einem 80-Millionen-Volk nicht viel. Es geht auch besser – Corbyn schaffte 100 000 in kurzer Zeit!

O. S.: „Fehlende Mobilisierung erklärt dieses Wahlergebnis also nicht.“

In der Tat, es lag nicht an fehlendem Mobilisierungsaktionismus. Dieser war jedoch nicht geeignet,  d i e   W ä h l e r  den Dissens vergessen zu lassen! Es fehlte nicht am guten Willen der Wahlkämpfer, sondern an glaubhafter Substanz ihrer Botschaft.

O. S.: „Ausflucht 2: Die Stärke der SPD in Ländern und Kommunen hat einen klaren Blick auf die tatsächliche Schwäche der SPD im Bundestag vernebelt. Angesichts der seit 2005 neu gewonnenen Verantwortung in den Staats- und Senatskanzleien von Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen war das lange auch nicht verwunderlich.“

Das war ja auch, zynisch gesehen, nicht so schlimm, die Schwäche im Bundestag, hatten wir doch starke Minister und Ministerinnen in der Bundesregierung Diese Diagnose ist abenteuerlich, und wenn sie zuträfe, sollten alle derart vernebelten Köpfe ihren Hut nehmen – und nicht mehr zurück auf „Neu-Anfang“!

O. S.: „Nachdem in NRW und Schleswig-Holstein seit diesem Sommer nun Unionspolitiker regieren, muss die Lage aber endlich (!) genauer betrachtet werden.“ Denn man tau!

O. S.: „Ausflucht 3: Die sozialpolitischen Beschlüsse der rot-grünen Koalition, insbesondere die 2003 angekündigte Agenda 2010 und die Rentenbeschlüsse zu Beginn der anschließenden großen Koalition, haben die SPD Kraft gekostet und sie hat darüber an Zustimmung verloren. Das bezweifelt wohl niemand.“

Nicht also die nicht nur angekündigte sondern auch verwirklichte Agenda- und Rentenpolitik hätte die Wähler in Scharen verbittert und der SPD entfremdet? Und die Wähler hätten einer SPD nur nicht mehr ihre Zustimmung geben mögen, weil sie durch ihre sozialpolitische Kraftanstrengung geschwächt wurde? Darauf muss man rhetorisch erst einmal kommen!

O. S.: „Man muss der SPD sozialpolitisch vertrauen. Und die Würde der Arbeit muss im Zentrum ihrer Politik stehen. Daran darf niemand (wieder) zweifeln. Es ist daher gut, dass die SPD seither in beiden großen Koalitionen zahlreiche Reformen vorangetrieben hat, die Deutschland sozialer und gerechter machen. Kurzarbeit hat in der Krise 2008/2009 Hunderttausende Arbeitsplätze gerettet, Branchenmindestlöhne und ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn wurden etabliert, Leiharbeit und der Missbrauch bei Werkverträgen eingeschränkt, erwerbsgeminderte Rentner bessergestellt, langjährigen Beschäftigten der Rentenzugang bereits mit 63 ermöglicht, Kitaplätze ausgebaut, BAföG und Wohngeld erhöht, Alleinerziehende unterstützt, Mieter besser geschützt. Die Aufzählung der von der SPD durchgesetzten Gesetze für ein gerechtes Deutschland ließe sich mühelos verlängern. Das Wahlprogramm der SPD bei dieser Bundestagswahl hat mit zahlreichen Konzepten wie der Wiedereinführung der Parität bei den Beiträgen zur Krankenversicherung oder der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen oder zur Stabilisierung des Rentenniveaus daran angeknüpft. Und der Wahlkampf stand ganz im Zeichen der sozialen Gerechtigkeit. Es ist daher nicht plausibel möglich, das Wahlergebnis damit zu begründen, dass die SPD sich nicht genügend für soziale Gerechtigkeit einsetze.“

Ist es wirklich nicht zu verstehen, dass die Wähler der SPD nicht, wenigstens im wahlpolitisch notwendigem Maß, vertrauen? Die Plausibilität stiege deutlich, wäre man ehrlich und prüfte diese „sozialpolitischen Beschlüsse“ auf ihre soziale Konsistenz, anstatt sie nonchalant auf die Positivseite zu setzen! Bei genauerem Hinsehen ist unschwer zu erkennen, dass diese Beschlüsse allesamt inhaltlich halbherzig gestrickt sind – immer mit der Ausrede, mehr sei nicht drin gewesen.

Unübersehbar gibt es eine heikle Tendenz auch in der SPD, zu glauben, das Wahlergebnis sei auch deshalb so ausgefallen wie es ausfiel, weil man z u v i e l von „sozialer Gerechtigkeit“ geredet hätte! Das verprelle wohlsituierte potentielle SPD-Wähler aus der Mitte! Die Partei muss wissen, auf welche Wähler sie verzichten muss, wenn man ihr „sozialpolitisch vertrauen“ können soll! (Siehe auch unter Punkt „Anerkennung!“)

O. S.: „Ausflucht 4: Nach den beiden vorherigen Bundestagswahlen wurde die fehlende Machtoption der SPD als Hemmnis beschrieben, ausreichend Wählerinnen und Wählern zu gewinnen. Nur diesmal gilt auch das nicht. Zum einen wurde Anfang des Jahres die so gerne erörterte Frage, wie die SPD zu einem Regierungsbildungsauftrag kommt, angesichts steigender Umfrageergebnisse für jedermann beantwortet: Durch das plebiszitäre Mandat eines starken Wahlergebnisses; am besten, indem die SPD als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgeht. Zum anderen ist die SPD mit der Frage, wie sie eine Regierung bilden kann, geschickter umgegangen. Und es wurden auch stets verschiedene Optionen, solange sie rechnerisch möglich waren, in der Öffentlichkeit erörtert. Die Partei hat sich klug fast vollständig aus den Debatten herausgehalten.“

Diese Argumentation ist selbst Ausflucht, verhindert sie doch eine schonungslose Sicht auf die Wahlkampfmisere, die sich so zugleich als Misere der Partei entpuppt. Die Wahrheit ist, die Chance der SPD, stärkste Fraktion zu werden, tendierte von Anfang an gegen Null! Das nicht gesehen zu haben, zeugt von schon sträflicher Realitätsferne. Die einzige Chance, einige der hier skizzierten ehrgeizigen Vorhaben zu verwirklichen, wäre RotRotGrün gewesen, das konnte jeder sich an fünf Fingern seiner linken Hand abzählen! Es hat daher schon etwas Tragisches, dass die Helden dieses Wahlkampfs, diese realistischere Chance nie wirklich im Fokus hatten. Und so merkten auch potenzielle SPD-Wähler schnell, dass RRG weder der Kanzlerkandidat noch die Parteiführung, noch weite Kreise links-phobischer Mitglieder besonders in den alten Bundesländern, wünschten. Dazu kommt, dass der beharrlich geäußerte Wille, Kanzler zu werden, Wähler wenig beeindruckt, wenn dies nicht mit einer realistisch erscheinenden Machtoption und mit personaler Glaubwürdigkeit verbunden ist! Die Verkennung dieser Tatsache, muss der gesamten Führung als Versagen angelastet werden!

O. S.: „Ausflucht 5: Gerne wird argumentiert, dass die SPD nicht zu alter Stärke zurückkehren könne angesichts der wachsenden Konkurrenz durch zusätzliche Parteien. Im linken Milieu seien die Grünen und dann die Partei Die Linke hinzugekommen. Ganz rechts trete jetzt die AfD auf. Tatsächlich sitzen jetzt sechs Fraktionen im neuen Bundestag. Dieser Einwand überzeugt aber nicht. Ganz abgesehen davon, dass im ersten und zweiten Deutschen Bundestag auch viele Parteien saßen. Wenn die Wahlergebnisse so ausgefallen wären, wie das Frühjahr hoffen lassen durfte, säßen auch sechs Fraktionen im Bundestag. Aber ein Sozialdemokrat wäre Kanzler.“

Gewiss, die abgewiesene Argumentation ist falsch, aber der Verkehrung von Ursache und Wirkung wird nicht widersprochen. Fakt ist doch:  w e i l  die SPD, im Verein mit den anderen demokratischen Parteien, Vertrauen verloren hat, sind die Wähler abgewandert. Die Gründe kann man nur bei sich selbst suchen und finden.

Ausflucht 5“ flüchtet selbst vor der Wahrheit und hält pseudo-logisch, also falsch, dagegen: Nicht das Frühjahr ließ hoffen, sondern die Hoffnung der Menschen auf Schulz ließen die Partei träumen: Die Frage muss daher so gestellt werden: Warum wurde die Hoffnung enttäuscht, warum platzte der Traum?!

O. S.: „Die Herausforderungen, vor denen die SPD steht, sind grundsätzlicher:

Fortschritt und Gerechtigkeit in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung

 Es ist kein Zufall, dass die sozialdemokratischen Parteien in Europa, und generell in allen klassischen Industriestaaten, fast zur gleichen Zeit nicht mehr an frühere Wahlerfolge anknüpfen können.“

Genau das gälte es zu untersuchen! Es kann doch nicht trösten, dass auch andere schwächeln und abgestraft werden. Die „schonungslose Betrachtung“ der Lage muss differenzieren: in GB schwächelt die Labourparty keineswegs, in Frankreich gibt es eine relativ starke Linke, die dortigen „Sozialdemokraten“ haben allerdings regierend ihr Ansehen ruiniert! Warum? – Und die sozialistischen Parteien im Süden Europas – von den nördlichen Schwester-Parteien schamlos im Stich gelassen, weil sie sich ihrem neoliberalen Kurs verweigernspielen sie etwa keine erwähnenswerte Rolle? s. a. unten!

O.S.: „Die sozialdemokratischen Parteien in diesen wirtschaftlich erfolgreichen Ländern stehen vor der Herausforderung, dass die – im Vergleich zu den Jahrzehnten davor – geringere Wachstumsdynamik seit den achtziger Jahren, die Globalisierung und die technologischen Veränderungen, namentlich die Digitalisierung, vielen Bürgerinnen und Bürgern (berechtigte) Sorgen bereiten. Überall weisen die Statistiken sinkende Löhne in den unteren Einkommensgruppen und nicht selten auch stagnierende Einkommen in der Mittelschicht aus. Und das sogar, wenn die Volkswirtschaft prosperiert oder wie in Deutschland die Beschäftigungsstatistik Rekordzahlen vermeldet. Die Schere zwischen denen, die am oberen Ende der Einkommensskala stehen und den unteren Einkommensgruppen“ (sprich: zwischen arm und reich!) „geht wieder auseinander, nachdem es bis zum Ende der siebziger Jahre eine lange Zeit umgekehrt (?) war. Langsam aber unübersehbar nimmt die Hoffnung, dass die Zukunft besser wird, bei Teilen der Bevölkerung ab. …“

In der Tat, die sozialdemokratischen Parteien stehen vor großen Herausforderungen! Der real existierende Kapitalismus steckt in einer Dauerkrise: das Wachstum, sein wichtigstes Lebenselixier, sinkt; er muss, um sein einziges Ziel, den maximalen Profit, zu erreichen, die Ausbeutungsrate erhöhen – mit auch d e n Folgen, die oben beschrieben werden. Hier aber einen schlichten, quasi fatalistischen Zusammenhang mit den abnehmenden Wahlerfolgen, sprich Wahlniederlagen, zu unterstellen, verbaut den Blick auf die schmerzliche Wahrheit:  d i e s e  Parteien haben versagt! Jede andere Deutung käme einem Offenbarungseid der Sozialdemokratie gleich! Vor genau diesen Herausforderungen zu kapitulieren, sie nicht im Gegenteil als Chance zu sehen, Partei für das neue Prekariat zu ergreifen, nähme ihr jede Existenzberechtigung! Aber ist es noch schlimmer: Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung haben an der Prekarisierung emsig mitgewirkt und tun dies bis auf den heutigen Tag. Das Dilemma der SPD kann am besten ausgedrückt werden durch die beiden ideologisch besetzten Schlüsselworte: „Wirtschaftskompetenz“, der sich die SPD rühmt, und „Arzt am Krankenbett des Kapitalismus“, wofür sie geschmäht wird.

O. S.: „In dieser veränderten Welt müssen die sozialdemokratischen Parteien plausible Antworten auf die Frage geben können, wie eine gute Zukunft möglich ist, die sich nicht auf die natürlichen Profiteure der Globalisierung und Digitalisierung beschränkt. Die sozialdemokratischen Konzepte müssen deshalb weiterentwickelt werden. Sie müssen gewährleisten, dass der Fortschritt, der mit der Globalisierung und Digitalisierung verbunden ist, auch für die Gesamtheit der Bürgerinnen und Bürger als Fortschritt spürbar wird.“

Ausflüchte:  „In dieser veränderten Welt…“, „Globalisierung und Digitalisierung“! – Die Sozialdemokratie muss i m m e r theoretisch auf der Höhe ihrer Zeit, also vorausschauend sein! Das ist sie aber schon lange nicht mehr! Visionen sind seit Helmut Schmidt verpönt! Um „sozialdemokratische Konzepte“ jenseits sozialdemokratischer Regierungsstuben weiterzuentwickeln, müsste sich wieder theoretisches Denken einstellen, das der Partei im Zuge ihres Regieren-Müssen-Wahns („Opposition ist Mist“) gründlich abhanden gekommen ist!

 natürliche Profiteure“? Profiteure sind nicht Statisten eines natürlichen oder gottgewollten Zustands, sondern Akteure gesellschaftlicher Machtverhältnisse! Diese zu verändern, ist die Herausforderung, die anzunehmen Kern-Aufgabe der Sozialdemokratie wäre! „Plausible Antworten“ wird sie nicht geben können, wenn sie diese Machtverhältnissen verkennt“

O. S.: „Deutschland war immer erfolgreich, wenn es auf den technischen Fortschritt gesetzt hat. Wirtschaftlicher Erfolg wird auch in Zukunft nur so möglich sein.“

Dieser Satz ist in der gleichen Weise falsch wie z. B. „Deutschland hat über seine Verhältnisse gelebt“ oder „Deutschland geht es gut“.

O. S.: „Ein starker und zuverlässiger Sozialstaat, ist allerdings die unverzichtbare Bedingung dafür, dass sich niemand deswegen sorgen muss.“

Schröder und Genossen waren und sind die Antipoden dieser Forderung, wenn man solche nicht nur als Pflichtübung begreift! Sie vergaßen: Die SPD ist P a r t e i!  Man kann nicht Partei für alle ergreifen! S i e muss sich vorrangig nicht um das Wohl der Wirtschaft kümmern! Das machen mit Erfolg genügend andere. So zu tun, oder zu glauben, man könne es Allen recht machen, verkennt die Realität kapitalistischer Klassen- und Machtverhältnisse, verkennt den aktuellen realen Klassenkampf von oben! Darauf hat die SPD Antworten zu geben und sich nicht als Genossin der Bosse feiern zu lassen!

O. S.: „Gerade wegen der neuen wirtschaftlichen Verhältnisse ist es unabdingbar, die unteren Lohngruppen durch einen substantiellen Mindestlohn abzusichern, der hoch genug ist, um im Alter nicht auf öffentliche Unterstützung angewiesen zu sein. Die Sicherheit, die Tarifverträge und Gewerkschaften in der old economy geschaffen haben, ist auch in der digitalen Ökonomie nötig. Sichere Arbeitsverhältnisse sind auch künftig ein wichtiges politisches Ziel. Männer und Frauen müssen auch endlich für gleiche Arbeit gleich bezahlt werden. Krippen, Kitas, Ganztagsschulen, qualitativ hochwertige Bildungsangebote an Schulen, Berufsschulen und Universitäten sind weitere wichtige Bedingungen für ein gutes Leben in sich rasant wandelnden Zeiten. Man muss in einer sich immer schneller verändernden Welt das Recht und die Möglichkeit haben, auch im fortgeschrittenen Alter einen neuen beruflichen Anfang durch eine Berufsausbildung oder eine Hochschulausbildung zu suchen. Und das Leben muss auch für Normalverdiener bezahlbar bleiben, deshalb braucht Deutschland gebührenfreie Betreuung und Bildung und bezahlbare Wohnungen. Und ein gerechtes Steuersystem.“

Das sind wunderschöne Ziele! Aber welcher Weg soll dahin führen? Mit einem „Bitte, bitte“ liebe Wirtschaftsmacht- und Kapital- und Geldbesitzer“ ist es nicht getan, alle solche Versuche sind bisher gescheitert.

Ziele zu  z e i g e n,  ohne d a r a u f Antworten zu geben und dennoch fröhlich gewählt werden und regieren zu wollen – das war, kurz gefasst, das dürftige Fazit des Schulzschen Wahlkampfs . . ! Die Wählerinnen und Wähler haben‘s quittiert!

O. S.: „Wirtschaftliches Wachstum wird auch in Zukunft eine zentrale Voraussetzung sein, um eine fortschrittliche Agenda zu verfolgen. Die ökonomische Kompetenz der SPD rührt daher, dass sie weiß, dass alleine aus technischem Fortschritt oder der Digitalisierung kein Wachstum entsteht. Das gelingt nur, wenn sie einher gehen mit einer guten Einkommensentwicklung, auch der unteren Lohngruppen. Das war schon beim Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit so. Das Versprechen des Wohlstands für alle gehörte dazu.“

Ausflucht: „Wirtschaftliches Wachstum“! Es ist eine Binsenweisheit, dass nur verteilt werden kann, was erarbeitet wird! Es sollte hier aber darum gehen, w i e verteilt wird! Und da kann sofort etwas geschehen, da kann immer etwas geschehen – und dies zu wissen, war immer ein Grundgedanke der Sozialdemokratie! Soziale Gerechtigkeit ist nie an wirtschaftliches Wachstum gebunden!

 – Und was heißt „fortschrittliche Agenda“? Für die SPD wäre es wichtiger zu wissen, woher historisch ihre  s o z i a l e  Kompetenz rührt! Ihre ganze „ökonomische Kompetenz“  hat der SPD offensichtlich nicht zum Wahlsieg verholfen. Und nebenbei: das „Wirtschaftswunder“ zeichnete sich nicht durch das „Versprechen“, sondern durch das tatsächliche Wachsen von „Wohlstand für alle“  aus! Und das war in gewissem Grade einer sozialen Nachkriegskompetenz eines  legendären CDU-Wirtschafts-Ministers geschuldet! Da gäbe es doch Fragen zu beantworten!

O. S.: „In der politischen Debatte stellen die einen ausschließlich die offensichtliche ökonomische Prosperität des Landes (und nicht weniger Bürgerinnen und Bürger) heraus und die anderen nur die ebenso offensichtlich zunehmenden sozialen und regionalen Disparitäten. Darin liegt eine große Gefahr. Konsequenz einer solchen jeweils einseitigen Beschreibung der Realität, ist wachsendes Unverständnis und politische Desintegration. Man kann das am Beispiel der USA genau beobachten. Kein Wunder, dass linke und rechte populistische Parteien heute überall Gehör und Anhänger finden, obwohl sie keinerlei praktikable Lösungen vorschlagen. Und kein Wunder, dass Ressentiments und nationalistische Rezepte als Antwort auf Globalisierung und Digitalisierung nun erneut in der politischen Arena auftauchen. Auch im neuen Bundestag werden sie lautstark vorgetragen werden. Letztlich hilft gegen (rechts)populistische Parteien nur, dass die Volksparteien die richtigen Antworten auf die Fragen unserer Zeit haben – und verstanden werden. Sie müssen die Problemlösungsfähigkeit der Demokratie unter Beweis stellen.“

Ausflucht: Die Gefahr gehe von einseitigen politischen  D e b a t t e n  aus, wie: hie CDU/CSU mit „Deutschland geht es gut“ und dort die LINKE mit ihrer Kritik an „offensichtlich zunehmenden sozialen und regionalen Disparitäten“!

Und da sollen es d i e  „Volksparteien“ richten: wenn sie nur erst die richtigen          A n t w o r t e n  auf die  F r a g e n  u n s e r e r  Z e i t  haben? Die nächste große Koalition lässt grüßen! 

„Disparitäten“: warum diese verschämt verharmlosende Vermeidung, Kinderarmut, Altersarmut, Bildungsnotstand etc. nicht beim Namen zu nennen? – Der US-Wahlkampf  Hillary Clintons, beweist in der Tat genau, dass ihr und ihrem Land die Ausblendung der von  B e r n i e  S a n d e r s  benannten „Disparitäten“ zum Verhängnis wurde. Aber s i e war die Wunschkandidatin der SPD!

O. S.: „Es geht also um Fortschritt und Gerechtigkeit in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung.

Der SPD muss es gelingen Fortschritt und Gerechtigkeit in pragmatischer Politik und einer unmittelbar daran anschließenden Erzählung zu verbinden. Dabei geht es nicht um eine bloße Addition, sondern das jeweils eine muss sich aus dem jeweils anderen ergeben. Sozialdemokratische Politik muss dafür einstehen, dass Weltoffenheit und Offenheit für den technischen Fortschritt einerseits, sozialer Friede und gerechte Lebensverhältnisse andererseits vereinbar sind. Sie muss eine Politik formulieren, die zeigt, wie Wachstum möglich ist, an dem alle Bürgerinnen und Bürger teilhaben.

Nebelkerze: Fortschritt! Ersetzten wir oben realistischerweise „Fortschritt“ durch Kapitalismus – dann müsste es heißen: der SPD muss es gelingen, Kapitalismus und Gerechtigkeit in pragmatischer Politik… zu verbinden… Bis heute ist es leider nie gelungen, soziale Gerechtigkeit  darum sollte es doch gehen?  mittels p r a g- m a t i s c h e r  Politik durchzusetzen. Es scheint hier eher um ein pragmatisches Umdefinieren von „Sozialer Gerechtigkeit“ zu gehen, so, dass dieser Begriff verschwinden kann – wie tendenziell in diesem Text!

 – Schon jetzt haben alle Bürgerinnen und Bürger teil am Wachstum – allerdings je nachdem: an wachsendem Reichtum oder an wachsender Armut!

O. S.: „Und sie muss angesichts der begrenzten Handlungsspielräume der Nationalstaaten in Europa für die Weiterentwicklung der Europäischen Union zu einer Gemeinschaft stehen, die Fortschritt und Gerechtigkeit heutzutage sichern kann und politisch auch sichern will. Im Unterschied zu den populistischen Parteien muss sie eine proeuropäische Partei sein. Nur die Europäische Union verschafft der Demokratie in der veränderten Welt die Möglichkeit, „to take back control“, wie die Brexiteers verlangten. Sozialdemokratische Politik unterscheidet sich von konservativer oder liberaler, weil sie das im Interesse der Bürgerinnen und Bürger erreichen will.“

Ausflucht: „begrenzte Handlungsspielräume“: Es gibt noch immer genug politischen Handlungsspielraum, obwohl Politik, auch exekutiert durch sozialdemokratische Politiker, sich durch lobbyistische Gesetzgebung zunehmend selbst entmachtet! Möglich wäre zum Beispiel Umverteilung von Oben nach Unten durch eine gerechtere Steuergesetzgebung, die die systemische „natürliche“ Umverteilung von Unten nach Oben, die auf puren wirtschaftlichen Machtstrukturen und Klientelpolitik beruht, wenigstens partiell ausgleichen könnte! Auf europäischer Ebene ist es nicht nur „a n g e-  s i c h t s“ einer sich aus dem Wesen einer solchen Union heraus logisch ergebenden und ja auch gewollten Begrenzung bzw. Verschiebung von nationalen Handlungsspielräumen unabdingbar, sondern   g e n e r e l l, eine   s o z i a l e,  eine im Interesse der Bürgerinnen und Bürger handelnde Union zu schaffen und deren Charakter und Leitbild neu zu definieren und genau wie auf nationaler Ebene, alle für dieses Ziel bereite Parteien und Bewegungen zusammenzuschließen!  N u r  proeuropäisch zu sein, ist kein Wert an sich! Unter der gegebenen personellen und ideologischen Ausrichtung der SPD müssen solche „Erzählungen“ allerdings in Regionen utopischer Märchenwelten verwiesen werden – bei schonungsloser Betrachtung!

O. S.: „Anerkennung

 Eine Einsicht wird für die Zukunft der sozialen Demokratie zentral sein. … … die höhere Durchlässigkeit, die unser Bildungssystem bietet, bedeutet keineswegs, dass sich die sozialen Fragen damit erledigt hätten. … Noch wichtiger ist aber die Einsicht, dass ein gelungenes Leben auch ohne Hochschulabschluss möglich ist und möglich sein muss. …wer Metallbauer, Lagerarbeiter oder Krankenpflegerin werden und das auch bleiben will, hat im Leben nichts falsch gemacht. Die öffentliche Rede der meist akademisch qualifizierten Mittelschichtsangehörigen in Politik und Medien, klingt aber manchmal so. Und darin liegt eine Kränkung fleißiger Bürgerinnen und Bürger, die sie auch empfinden. Denn eine Friseurin, eine Postbotin oder ein Altenpfleger findet Bestätigung im Beruf, verrichtet die Arbeit gewissenhaft und hat ein hohes Berufsethos.“

Ausflucht: Populistisch wird die Problemursache verschoben auf „Die öffentliche Rede der meist akademisch qualifizierten Mittelschichtsangehörigen in Politik und Medien“!  Hat die SPD nicht lange genug mitregiert um kraftvoll für eine nicht zuletzt auch  m a t e r i e l l e  A N E R K E N N U N G der unterprivilegierten Berufe kämpfen zu können? Die Wiederentdeckung der Postbotin, der Friseurin etc. und deren Berufsethos ist in diesem Zusammenhang eher beschämend. Dem Geist des Neoliberalismus ist leider auch die Führung der SPD erlegen und gerade das Schicksal der Postbotin und vieler anderer Berufsgruppen wurde durch ihr u. a. von Privatisierungswahn bestimmtes Regierungshandeln nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen!

O. S.: „ … der Verweis auf die Durchlässigkeit [des Bildungssystems – J. A.] rechtfertigt nicht, dass sich die Politik etwa nicht dafür engagiert, die wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven ungelernter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verbessern. Tut sie das nicht, klingt die einst fortschrittliche Forderung nach dem Aufstieg durch Bildung in den Ohren weiter Teile der Bevölkerung nach einem elitären Abgrenzungsmerkmal. Das kann zu gesellschaftlicher Spaltung und auch zur Abwendung von demokratischer Politik führen.“

Dieses Dozieren über Risiken und Nebenwirkungen falscher Sozial- und Bildungspolitik verwechselt Ursache und Wirkung und lenkt von Verantwortung ab ins Ungefähre, hin zu den „Ohren weiter Teile der Bevölkerung“. Das Versagen der Politik führt nicht zur Spaltung der Gesellschaft, sondern ist Ausdruck dieser Spaltung, die im gegebenen Rahmen nur verschärft oder gemildert werden kann!

O. S.: „… Als Partei des Volkes muss die SPD eine gesellschaftspolitische Zukunftsvorstellung entwickeln und vertreten, die die Anliegen aufstiegsorientierter Milieus und nichtaufstiegsorientierter Milieus in einem gemeinsamen modernen Projekt zusammenführt.“

In diesem „gemeinsamen modernen Projekt“ der Zusammenführung völlig neu kategorisierter Milieus werden sich, in ihren „Anliegen“ versöhnt, Bettler und Millionär treffen wie einst im Paradies Löwe und Reh! Dies wird und kann nur das Werk einer Sozialdemokratischen Einheitspartei Deutschlands sein!

O. S.: „Volkspartei und Regierungsverantwortung

Die SPD ist die älteste demokratische Partei Deutschlands und eine der ältesten Parteien der Welt. Sie ist immer eingetreten für Freiheit, Demokratie und Recht. Und für den sozialen Zusammenhalt.“ Das mit dem sozialen Zusammenhalt kam bei Bebel noch nicht vor! Da hieß es noch Klassenkampf und Sozialismus! 

O. S.: „Sie war immer eine von vielen Mitgliedern getragene Partei. Den mühseligen Aufstieg zur führenden Partei in der Bundesrepublik während der sechziger Jahre hatte sie durch die Wandlung zur Volkspartei, die Mitglieder und Wähler in allen Schichten und Milieus der Bevölkerung sucht, vorbereitet. Die progressive (!) Volkspartei SPD stellte sich so auf, dass schließlich von 1969 an dreizehn Jahre lang große Teile der Wählerschaft ihr das Land und die Führung der Regierung anvertrauen mochten. Auch heute gilt: Die SPD muss progressive Volkspartei sein wollen. Und die SPD muss die Regierung führen wollen. Beide Ziele bedingen einander.“

Dass die SPD die älteste demokratische Partei Deutschlands ist, macht ihren Zustand nicht besser. Besser wäre, die Gründe ohne Ausflüchte zu suchen, die unsere Partei in diesen desaströsen Zustand versetzt hat! Was war es, dass viele Wähler nach der Brandt-Ära ihre Gunst vorzugsweise anderen Parteien oder dem Nichtwählen schenkten? Was verursachte das Schwinden der Wählergunst nach Schröders Fahrt mit vollen Segeln und dem „Schröder-Blair-Papier“ an Bord in neoliberale Gewässer? War es dieses Papier, das als die letzte theoretische Leistung und als eminente Fehlleistung  in die Geschichte der Partei eingehen wird? Ein Papier, das zuerst wegen des negativen Echos an der Parteibasis wieder im Schreibtisch verschwand, dessen Geist dann aber schließlich doch noch glücklos, in Hartz-Gesetzgebung und Agenda 2010 gegossen, siegte! – Auch wenn stupid beteuert wird, es sei nicht alles daran schlecht gewesen: diese von dem Machern für progressiv gehaltene neoliberale „Wirtschaftskompetenz“ und die entsprechende neue Ausrichtung der Partei war die tiefere Ursache für den Verlusts hunderttausender Genossinnen und Genossen!

 – Fürwahr, die SPD ist eine andere geworden, seitdem sie sich, konkurrierend mit den anderen „demokratischen Parteien“ in der Mitte tummelt! Als die Wählerschaft der SPD unter Brandt die Regierung ihres Landes anvertrauten, hatte die Partei ein Projekt, das sich in der damaligen Situation „links“ nennen durfte, und das von rechts als kommunistisch, das es nicht war, ge(t)adelt wurde! Nein, nicht bei allen biederte sich jenes Projekt an! Aber es hatte die Unterstützung sowohl der Arbeiterschaft als auch der geistigen Elite! Was für ein Aufbruch damals! Und heute? 

O. S.: „Gibt die SPD den Anspruch Volkspartei zu sein auf, wird sie nur (noch) die erreichen, die mit ihr fast vollständig übereinstimmen. Politik lässt sich aber nicht auf eine Geschmacksfrage (?) reduzieren. In einem Parlament mit nun sechs Fraktionen ist die Gefahr groß, dass die Parteien angeschaut werden, wie das Warenangebot in einem Supermarkt. Und da wechseln eben die Vorlieben schnell. Vor allem wenn die Parteien sich selber bloß wie das aktuell günstigste Angebot anpreisen.“

Ausflucht: Statt „Schonungsloser Betrachtung der Lage“: Pseudoargumente für ein neues Weiter-So! Der Anspruch, schlicht Volkspartei  s e i n  z u  w o l l e n, als gäbe es ein schlichtes Volk, wird die SPD nicht retten. Weil Scholz, vermutlich ideologisch befangen, Klassenfragen negiert und sie zu Geschmacksfragen macht, wird letztlich genau das passieren, was er anprangert! Da die SPD für alle dasein will, wird ihr am Ende zwangsläufig nichts anderes übrigbleiben, als ein Gemischtwarenangebot zu offerieren, in dem, so die fatale Hoffnung, das Volk dann schon je nach „Geschmack“ etwas passend Wahlmotivierendes finden wird. Nur, noch einmal: so ein Volk, von dem seit eh sowohl „ideologiefrei“ als auch ideologisch vorzugsweise von Diktatoren geträumt wurde, gibt es nicht!

O. S.: „Die SPD kann daher, wenn sie nicht mehr Volkspartei sein wollte, zerrieben werden zwischen den konservativ beharrenden Parteien und denen, die unrealistische aber stets weiterreichende Forderungen aufstellen. Und nur über das Integrationsprojekt Volkspartei, kann die mit ihr verbundene – in der politischen Geschichte seltene – Kombination von lebensweltlicher Liberalität und Zusammenhalt gelingen. Die SPD muss für mutige Reformen stehen, die vernünftig sind und an deren Umsetzung man glauben kann. Sie wird aber zwangsläufig an Zustimmung verlieren, wenn sie sich auf den Wettbewerb der schrillsten Töne einlässt.“

Die SPD, wenn sie so weitermacht, und nichts deutet, schon unterm Aspekt der Personalfrage, darauf hin, dass sich Grundlegendes ändern könnte, wird zwangsläufig im Parlament zerrieben werden! Nicht selten, sondern nie gelang auf Dauer eine so naiv für möglich gehaltene „Kombination“: „Zusammenhalt“ plus „Liberalität“, was ja auf nichts anderes hinausliefe als: Aufhebung der gesellschaftlichen Widersprüche in einer durch „Liberalität“ gesetzlich geschützten Ausbeutergesellschaft. Von allen Seiten, je unterschiedlich motiviert, wird man ihr ihre „lebensweltlichen“ Illusionen  unter die Nase reiben!

 – Das Wahlvolk lässt sich bekanntermaßen leichter verführen, wenn es verarscht wird und sich dementsprechend fühlt! Schon allein aus purer Verantwortung vor den Folgen nicht gezogener Lehren aus der Geschichte muss die SPD sich dringend und ehrlich mit dem rationalen Kern der noch immer virulenten Frage auseinandersetzen: „Wer hat uns verraten …?

1965, nach der Bundestagswahl schrieb Herbert Marcuse, selbst 1919 kurz Mitglied der SPD, an Theodor W. Adorno, der SPD gewählt hatte: „Die deutschen Wahlen sind ausgegangen, wie du es vorausgesehen hast. Ich hätte bestimmt nicht SPD gewählt. Die Niedertracht dieser Partei macht sie auch zum <geringeren Übel> untauglich. Sie wagt es, noch den Namen zu führen, den sie einmal hatte, als Karl und Rosa ihr angehörten. Und sie wird den kommenden Faschismus genau so wenig verhindern wie die CDU.“ Das sind düstere, böse Worte; ihre prophetische Mahnung sollte dennoch nicht leichtfertig in den Wind geschlagen werden!

O. S.: „Stellt die SPD sich als progressive Volkspartei so auf, dass große Teile der Wählerschaft ihr das Land und die Führung der Regierung anvertrauen mögen, wird sie bei Bundestagswahlen auf neue Erfolge hoffen können. Und deshalb muss die SPD in Fragen der Außenpolitik, der Europapolitik, der äußeren und der inneren Sicherheit, der Wirtschaftspolitik, des Umgangs mit öffentlichen Haushalten aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger im höchsten Maße kompetent sein. Kompetenz ist auch wegen“ auch deswegen? „der Migration gefragt, die die europäischen Gesellschaften vor neue Aufgaben stellt. Je unwirtlicher und unsicherer die Welt wird, je mehr wird diese Kompetenzerwartung an Bedeutung gewinnen.“ Nun, da sollte die Kompetenzerwartung doch rasch erfüllt werden können! „Da handelt es sich keineswegs um eine nebensächliche Frage.“ Genau! „Wollen viele Bürgerinnen und Bürger, dass die SPD die Regierung führt, kann sie schnell zehn Prozentpunkte zulegen. Dann kann sie auch aus Bundestagswahlen als stärkste Partei hervorgehen und daraus einen Auftrag zur Bildung einer Regierung ableiten.“ Dieser überraschenden Logik wird man plausibel nicht widersprechen können! „Die plötzlich ansteigenden Umfragewerte zu Beginn des Jahres 2017 haben eindrucksvoll diesen Zusammenhang demonstriert. Es war eine hoffnungsvolle Projektion der Wählerinnen und Wähler, die erneut möglich ist, wenn sie es plausibel finden, dass die SPD diese Erwartungen erfüllt.“ Die Wähler haben aber ihre „Projektion“ letzthin nicht lange plausibel gefunden! 

 – Die Zauberformel Aufstellung als „progressive Volkspartei“ und der Blick in die Zukunft, was dann alles w i r d sein können, wird nicht viel helfen! Immerhin, einen Anflug von Selbstkritik enthält sie: denn mitgesagt wird, was doch hätte längst sein können! Und es wird mitgefragt nach Verantwortung! Eine Vertiefung dieser Frage verbietet sich jedoch leider von selbst, wenn nach herber Niederlage Geschlossenheit als erste Parteibürgerpflicht gefordert wird – von der alten Mannschaft!

O. S.: „ …“

Klare Grundsätze

Die SPD regierte vor allem nach den Wahlerfolgen 1998 und 2002 in mancher Hinsicht anders, als die Wählerinnen und Wähler nach dem Eindruck aus dem Wahlkampf erwarteten. Die große Koalition 2005 startete mit einer drastischen Mehrwertsteuererhöhung, die im Wahlkampf zuvor noch heftig bekämpft worden war. Das hat strukturell Vertrauen gekostet.“

Ungeschminkt: das war Wahlbetrug und ein überflüssiges Geschenk an den Koalitionspartner. Ob strukturell oder nicht, es hat Vertrauen gekostet – kostbares!

O. S.: „Und das ist hochgefährlich, denn Vertrauen ist die wichtigste Währung der Politik. In dieser Hinsicht hat sich die SPD am Ende der gerade ablaufenden großen Koalitionsregierung nichts vorzuwerfen.“

Tatsächlich, die SPD war zuverlässiger Koalitionspartner – gegenüber CDU/CSU! Erst in der letzten Bundestagssitzung zog Andrea Nahles, von ihrer avisierten neuen Rolle als Oppositionsführerin sichtlich beeindruckt, so vom Leder, dass Merkel nur noch irritiert und dann amüsiert staunen konnte.

O. S.: „Sie hat, obwohl nur der kleinere Partner, eine beachtliche sozialpolitische Erfolgsbilanz. Auch im Hinblick auf Fragen der Liberalität besteht die SPD diesen Test, wenn man auf die fast vollständige Abschaffung der Optionspflicht für in Deutschland geborene junge Leute schaut, die nicht mehr zwischen ihrer deutschen Staatsangehörigkeit und der ihrer Eltern wählen müssen. Oder wenn man die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare betrachtet. Auf dem Vertrauen, dass diese unter Beweis gestellte Verlässlichkeit ermöglicht, kann aufgebaut werden. Als Lehre für die Zukunft taugt diese Rückbetrachtung aber auch. Die SPD darf nicht anders regieren, als sie zuvor in einer Wahlkampagne angekündigt hat. Schon bei der Erstellung der Wahlprogramme muss das bedacht werden. Man darf nur versprechen, was man halten kann und muss halten, was man versprochen hat.“

Ausflucht: Eigentlich hat man in der Großen Koalition alles richtig gemacht, nur in früheren Regierungs- bzw. Mitregierungszeiten sind Fehler gemacht worden! Und nun erst hat sich das auf das Wahlergebnis ausgewirkt? Der Wähler sozusagen ein geistiger Spätzünder? Seehofer immerhin, die Erschütterung war ihm noch anzumerken: „Wir haben verstanden!“ Hier nur nochmal oberlehrerhafte Schelte für Müntefering und Schröder: „Man darf nur versprechen, was man halten kann und muss halten, was man versprochen hat.“  

O. S.: „Die SPD wird seit längerem als zu taktisch wahrgenommen. Diese Wahrnehmung darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Denn wenn Reformvorstellungen als nicht ernstgemeint angesehen werden oder als Vorschläge, die präsentiert werden, um Wählerinnen und Wähler anzusprechen und nicht, weil sie der SPD wichtig sind, dann sind sie auch nur die Hälfte wert. Überwinden kann man diese Wahrnehmung nur mit Konsistenz und Stringenz in der eigenen Haltung und der eigenen Politik. Und wenn die SPD verstanden wird anhand ihrer Grundsätze.“

Verschämte halbe Wahrheit: die „Wahrnehmung“ sei schuld! Aber das Problem ist, dass es die Wahrnehmung von etwas Realem ist: der fehlenden „Konsistenz und Stringenz in der eigenen Haltung und der eigenen Politik“ und damit von etwas für den Zustandder SPD Substanziellem! Dessen Überwindung Olaf Scholz hier zurecht für die Zukunft anmahnt.

 – Keine Partei wird verstanden „anhand ihrer“ Grundsätze! Schon der Apostel forderte seine Gemeinde auf: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!“ (1. Johannes 1, 2-6)

O. S.: „Und die SPD muss konkret sein, auch wenn es um soziale Gerechtigkeit geht.“ Ja, selbst da! „Nur anhand konkreter Vorschläge bleibt der Begriff nicht abstrakt. Nur konkrete Vorschläge können auch politisch wirkmächtig werden. … eine deutliche Steigerung des Mindestlohns, die Abschaffung der Möglichkeit, Arbeitsverträge ohne Sachgründe zu befristen, das Recht nach vorübergehender Teilzeitbeschäftigung wieder Vollzeit zu arbeiten, die Stabilisierung des Rentenniveaus, paritätische Beträge in der Krankenversicherung, die massive Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus, Gebührenfreiheit in Kitas, Ganztagsschulen, ein Rechtsanspruch auf eine neue Berufsausbildung im fortgeschrittenen Alter, Breitbandverkabelung als Grundversorgung zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland, die Entlastung der Kommunen von den Kosten der Unterkunft Arbeitsloser, … Entlastungen bei den Beträgen für Geringverdiener und steuerliche Entlastungen für untere und mittlere Einkommen. Die SPD hat diese und noch mehr konkrete Vorschläge. Sie muss sie auch benennen.“

Ausflucht: Die SPD habe ihre in der Tat beeindruckenden „konkreten Vorschläge“ nur nicht benannt! Warum nicht? Es wäre der genau berechtigte Vorwurf zu befürchten gewesen: ja warum habt ihr das alles nicht schon längst durchgesetzt?! Die Rede vom „Respekt“ vor der Lebensleistung der „hart arbeitenden Menschen“ und was man alles tun wolle, wäre man nur erst Kanzler, war offensichtlich nicht hinreichend für einen Wahlsieg! 

O. S.: „Es geht um viel. Überall in Europa haben die sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien an Zustimmung eingebüßt. Manche sind fast oder gar vollständig verschwunden.“

Haben auch diese anderen Parteien ihre tollen Ideen nur nicht genügend propagiert? Die Angst vorm Verschwinden ist verständlich, scheint aber kein guter Ratgeber zu sein! Die selbst geforderte und notwendige schonungslose Betrachtung geht anders!

O. S.: „In Deutschland, vielleicht das Kernland der sozialdemokratischen Idee, ist es unsere Mission, die Zukunft der sozialen Demokratie neu zu beschreiben.“

Nebelkerze: „sozialdemokratische Idee! In der Tat  w a r  Deutschland einmal  –„vielleicht“ – ihr Kernland. Aber darüber zu schweigen, was einmal zu je anderen Zeiten inhaltlich mit „sozialdemokratisch“ verbunden war, und immer so zu tun, als sei die heutige parteiamtliche Interpretation auch die gestrige gewesen, ist unredlich! Genau vor hundert Jahren setzten die Bolschewiki ihre Hoffnung auf eine Revolution in jenem „Kernland… – „da war die deutsche Sozialdemokratie allerdings schon nicht mehr die August Bebels und seiner Genossen.

O. S.: „ … In manchen Ländern Europas kann man nur noch wählen zwischen einer sozialstaatlichen Partei mit lebensweltlich antimodernen Vorstellungen und Ressentiments auf der einen Seite und einer streng wirtschaftsliberalen Partei mit modernen Vorstellungen zum Zusammenleben auf der anderen. Das ist ein Drama für die Bürgerinnen und Bürger dieser Länder.“

Statt Analyse: nebulöses, implizit denunziatorisches Reden über politische Zustände und Parteien in „manchen Ländern“. Ist „sozialstaatlich“ schon zum Unwort geworden? Oder ist „staatssozialistisch“ gemeint, das man anderen linken Parteien unterschieben will, um die fehlende Solidarisierung mit diesen Parteien und die politische Distanzierung zu legitimieren, wie im Fall von Podemos, Syriza, Corbyns Labour Party u. a.?

O. S.: „Die Erneuerung der SPD kann nur entlang klarer Grundsätze gelingen. Sie bedient niemals Ressentiments. Sie ist modern, besonders weil sie für die Gleichstellung von Männern und Frauen steht. Sie ist modern, weil sie auch die Perspektive einer lebenswerten Umwelt verfolgt. Die SPD muss als weltoffene, europafreundliche, fortschrittliche, liberale und soziale Partei beweisen, dass mit einer mutigen und pragmatischen Politik eine bessere Zukunft auch in unseren sich schnell wandelnden Zeiten für alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes möglich ist.“

Klare Grundsätze“ fordern und Unschärfe liefern: Seit wann ist Modernität ein sozialdemokratisches Kriterium? – Es sieht so aus, als solle hinter diesem leeren Begriff die Kernkompetenz der Sozialdemokratie zum Verschwinden gebracht werden, die noch immer „soziale Gerechtigkeit“ war.

Alles was die SPD nach Olaf Scholz und Genossen laut diesem Papier sein müssen sollte – weltoffen, europafreundlich, fortschrittlich, liberal und sozial – schreiben sich u. a. auch CDU/CSU auf ihre Fahnen! Das zeigt nur allzu deutlich, wo die Partei angekommen ist: in der bürgerlichen, systemkonformen Mitte, dort, wo angeblich nur Wahlen gewonnen werden können. Dies ist ein gefährlicher Irrglaube. Die SPD wird dort nur noch verlieren können. Wir dürfen nicht der Illusion unterliegen, es werde sich in Deutschland, ähnlich den us-amerikanischen Verhältnissen, die Parteienlandschaft so entwickeln, dass aus der Mitte heraus SPD und CDU – die anderen marginalisierend – die Regierungsgeschäfte alternierend oder gemeinsam werden übernehmen können! Dieses Modell kommt auch in den USA sichtlich in die Krise.

R e s ü m e e

Die Erneuerung der SPD wird unter anderem nur dann gelingen, wenn sie den ernst zu nehmenden gesellschafts- und wirtschaftstheoretischen Diskurs aufnimmt, in dem, nicht zu unrecht, die Marxsche Kapitalismuskritik zunehmend eine prägnante Rolle spielt, nur dann, wenn sie zurück zu ihren Wurzeln findet, anstatt mit immer neuen ideologischen Konstruktionen und Umdeutungen ihrer Werte zu versuchen, den klaren Blick auf die unsozialen Wirklichkeiten mit all ihren Gefahren für die Zukunft der Menschheit zu verkleistern! Dazu gehört auch, sich von von einer bedenklichen Technologiegläubigkeit zu trennen! Technologie, so zeigt uns die Geschichte, kann Lebens- und Arbeitswelt unerbittlich und rasant verändern, nie aber war sie, im gesllschaftspolitischen Kontext, auch nur im Ansatz ein Garant für Gerechtigkeit! Es gibt in unseren Breiten zwar nicht mehr das klassische bis aufs Blut ausgebeutete Industrieproletariat – das wurde teils saniert und gut integriert, teils in fernere Gegenden ausgelagert (externalisiert), aber: an seine Stelle ist, auch bei uns, ein ständig wachsendes Heer raffiniert prekarisierter Menschen getreten. Sich deren Schicksal zu widmen, sollte wieder Kernaufgabe der SPD und aller sozialdemokratisch sich nennenden Parteien werden. Nur dann trügen sie ihren Namen zurecht! Im Kampf um „soziale Gerechtigkeit“ und „eine bessere Zukunft“ muss sozialdemokratische Theorie und sozialdemokratische politische Praxis, ganz gleich ob in Regierungs- oder Oppositionsverantwortung, ihren Horizont über die bestehenden zerstörerischen neoliberal-kapitalistischen Verhältnisse hinaus erweitern!

 

 

 

Sarrazin – nur ein Symptom?

22 Apr

oder

der Umgang der SPD mit Sarrazin im Licht des Urteils des Antirassismus-Ausschusses der Vereinten Nationen

Die Berliner Staatsanwaltschaft verbuchte Thilo Sarrazins Thesen in „Lettre International“ (2009) unter Meinungsfreiheit. Der Antirassismus-Ausschuss der UN hat den Rassismus-Vorwurf des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg (TBB) nun bestätigt, und die Bundesrepublik Deutschland als Partner der Antirassismuskonvention aufgefordert, „die im Vertrag festgelegten Bestimmungen konsequenter in das deutsche Recht umzusetzen. “ (s. a. w. dazu Robert D. Meyer in ND vom 19. April 2013)

Das sollte auch die SPD nicht unberührt lassen. Denn Genosse Sarrazin, von deutscher Justiz und SPD-Schiedskommission gedeckt, verbreitete seither seine rassistischen „Meinungen“ unbekümmert und variantenreich weiter (s. a. auf diesem BLOG  Sarrazin und die SPD und Meinungsfreiheit).

Ein Parteiausschlussverfahren scheiterte an der Schiedskommission des Berliner Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf.  „Das zweite Ausschlussverfahren des wegen seiner Integrationsthesen heftig umstrittenen früheren Bundesbankers endete mit einer gütlichen Einigung. Alle vier Antragsteller – darunter die Bundes-SPD – zogen ihre Ausschlussanträge auf Basis einer Erklärung von Sarrazin zurück…“

Gütliche Einigung?

Der Schoß des deutschen Wesens ist fruchtbar noch und gebiert noch immer ein gut Maß rassistischen Dünkels. Unterschwellig auch, nicht immer bewusst, bis tief in die Mitte der Gesellschaft reichend. Auch in die Mitgliedschaft der SPD. Das jedenfalls war aus den Diskussionen um Sarrazins Ausschluss intern und in der breiteren Öffentlichkeit herauszuhören. Und so schien man damals auf Bundes-Ebene erleichtert zu sein, durch das Schiedsgericht, sozusagen demokratisch legitimiert, den Fall Sarrazins juristisch unspektakulär lösen zu können, Weitere Sympathiekundgebungen und Parteiaustritte, die man sich nicht leisten wollte, konnten so verhindert werden.

Heute hat das Urteil des UN Antirassismus-Ausschusses jene Taktik der SPD-Führung eingeholt. Diese muss sich nun fragen lassen, ob ihre Beschwichtigungspolitik im Falle Sarrazin dem antirassistisch-humanen Anspruch der Partei und ihrer Verantwortung, sich schützend vor diskriminierte Bevölkerungsgruppen zu stellen, gerecht wurde.

Muss nicht in einer so wichtigen Frage wie der des Rassismusvorwurfs die Bundesschiedskommission von der Bundespartei, dem Parteivorsitzenden angerufen werden, wenn die unteren Ebenen versagen?

Auch in einer demokratischen Partei gilt, was für eine Demokratie lebenswichtig ist:

Der Aufstand der Anständigen läuft ins Leere, wenn sich ihm nicht der Anstand der Zuständigen gesellt!

Ökonomie und Krieg

11 Okt

„Waffenlieferungen in den Libanon, Unterstützung der radikal-islamistischen Taliban durch die USA während des Afghanistan-Krieges in den 80iger Jahren, Krieg um Öl: Rings um Konflikte, Bürgerkriege hat sich inzwischen ein regelrechter Markt entwickelt. Wo der Markt noch nicht so frei ist, wie es sich Großunternehmen wünschen, wird er frei gemacht: Mit Waffen…“ Aus: Pressemitteilung Solidarisches Greifswald

solidarische moderne am 12.oktober 2011 in greifswald

Dr. Wolfgang Wodarg im Internet

Kuder ans Ruder?

17 Sept

W E R  I S T  W I R ?  I C H  (S P D)  N  I C H T !

 

UPDATE: siehe auch Syrbe oder Kuder? – Streit vor der Stichwahl am 18. September

Dembski (SPD) unterstützt CDU (Kuder) – eine Glücksfalle für die SPD?

11 Sept

„Die SPD unterstützt Justizministerin Uta-Maria Kuder in der Landrats-Stichwahl im Kreis Vorpommern-Greifswald. Das erklärte der SPD-Kreisvorsitzende Ulf Dembski im Anschluss an eine gemeinsame Sitzung des SPD-Kreisvorstands und der neu gewählten SPD-Kreistagsmitglieder.“ (aus einer PresseInfo vom 8.9.11)

Gewiss bleibt es einem gescheiterten Kandidaten unbenommen, seinen Wählern für die Stichwahl eine Wahlempfehlung zu geben. Die SPD auf Kreisebene aber insgesamt in Haftung zu nehmen ohne in den Ortsvereinen die Wahl ausgewertet zu haben und sich einer Zustimmung zu diesem politisch ja nicht belanglosen Vorhaben zu versichern, halte ich für eine Verletzung innerparteilicher demokratischer Anstandsregeln.

Politisch nachvollziehbar ist dieser Schnellschuss nicht. Im Gegenteil. Was als Begründung angegeben wird, ist wenig überzeugend, fadenscheinig, perfide.

Ohne Not hat sich die SPD der CDU als Partner angedient, oder hat sie sich dies erst mit der Verpflichtung, Kuder zu unterstützen v e r-dient? Was noch nach der letzten Kommunalwahl bei der Greifswalder SPD-Basis auf wenig Gegenliebe und Widerspruch gestoßen war – die Idee einer Kooperation mit der CDU, soll nun, an der Basis vorbei, auf der neuen Kreisebene formell ins Werk gesetzt werden.

Woher nehmen die Genossen die Gewissheit, dass der neue Landkreis nur im Verein mit Hochschild, König und Liskow „solide geführt“ werden kann? Freilich ist es machtpolitisch verführerisch, mit dieser „Kooperation“ über 33 Sitze zu verfügen, die allerdings im Ernstfall nur über eine  Mehrheit verfügt unter der Voraussetzung, dass der „demokratische“ Rest von 30 Abgeordneten sich moralisch verpflichtet, nie mit der NPD (6 Mandate) gemeinsam zu stimmen.

Aber die NPD muss auch ganz offen für die Begründung der Kooperation herhalten. Syrbe sei per se nicht wählbar: sie intrigiere, sie könne Haushaltssanierung nicht und sei für das bedauerte Wahlergebnis verantwortlich: „Das starke NPD-Ergebnis im Kreistag ist ein Ausdruck dafür, dass dort einiges im Argen lag.“ so Dembski (Martina Rathke – OZ vom 9.9.11).

Das ist denn doch etwas starker Toback. Solch simple Deutungsversuche, die augenscheinlich die Realitäten vor Ort gründlich verkennen, lassen für Hoffnung auf Besserung der Lage wenig Raum. Zumal gerade wieder diesbezüglich den Parteien einiges ins Stammbuch geschrieben wurde. Z. B.: Anklam (dpa)  „Die etablierten Parteien in Mecklenburg-Vorpommern haben es aus Sicht des Regionalzentrums für demokratische Kultur in Anklam nicht geschafft, die NDP-Stammwähler auf dem Land zu erreichen.“

Ob diese eilige Positionierung den Bemühungen in Schwerin, aus dem guten Landtagswahlergebnis für die SPD eine entsprechende Regierungspraxis zu gestalten, förderlich ist? Ich gehöre zu denen, für die das vor Ort eher ein Ärgernis ist – kein Glücksfall !

Erwin Sellering – ein Glücksfall für die SPD und für Greifswald

8 Sept

Mecklenburg-Vorpommern hat gewählt! Wenn man es genau nimmt, hat nicht mal die Hälfte gewählt. Ihren Wahlzettel in Empfang genommen haben zwar 51,4 Prozent, aber knapp fünf Prozent haben ihre Stimme verungültigt  für das eigentliche Wählen fielen sie damit aus.

Erwin Sellering, der von der Springer-Presse und anderen vergeblich ob seiner Haltung zum Afghanistankrieg und seiner intelligenten Einschränkung der Unrechtsstaatsdoktrin im Vorfeld der Wahl heftig bekämpft wurde, hat sich den Mecklenburgern und Vorpommern unspektakulär als der bessere Kandidat empfohlen. Seine ruhige und offene Art auf „die Menschen“ zuzugehen, weit entfernt von Arroganz und von auch in seiner Partei grassierender Wirklichkeitsferne, kam im Nordosten unserer Republik gut an und hat ihm die Sympathie seiner Wähler und besonders wohl auch seiner Wählerinnen beschert   in einem Maße, wie er es selbst kaum vermutet haben wird. Mit der Unterschätzung des für die Medien bislang „blassen Kandidaten“ ist es seit der Wahlnacht vorbei. Es herrscht Einigkeit darüber: Dass die Landes-SPD ihr Ergebnis gegen den Trend um 5,4 Prozent verbessern konnte, hat sie Sellering zu verdanken.

Greifswald war bislang eine Hochburg der Schwarzen. Erstmals gab es nun für die SPD in Greifswald bei Landtagswahlen ein Traumergebnis: 27,5 Prozent (CDU 23,4)! Sellering holte in der Hansestadt sein Direktmandat mit 41,4 Prozent, das heißt, 14 Prozent der Stimmen kamen von Wählerinnen und Wählern, die ihre Zweitstimme anderen Parteien gaben.

Der Vollständigkeit halber: für die ansässigen Genossen war das Ergebnis der gleichzeitigen Kreistags- und Landratswahl weniger fulminant. Landratskandidat Ulf Dembski z. B. konnte mit 23,4 Prozent der Stimmen 18 Prozent weniger Greifswalder hinter sich versammeln als sein Parteichef und gerade mal ganze 36 Wähler mehr, als der abgestrafte Greifswalder Bürgerschaftspräsident Liskow (CDU), dem mit seinem Ergebnis der Wiedereinzug in den Landtag misslang.

Nach dem Triumph kommt nun für Sellering die erste, vielleicht gravierendste Bewährungsprobe. Heftig, von Interessen und Begehrlichkeiten geprägt, wird öffentlich und hinter verschlossenen Türen um die Lösung der Koalitionsfrage gerungen. Wenn man gewillt ist, den Trend der Wahl und damit den sogenannten und oft missbrauchten Wählerwillen zur Kenntnis und ernst zu nehmen, bleiben viele Möglichkeiten nicht. SPD, GRÜNE und LINKE haben in der Wählergunst zugelegt, CDU, FDP und NPD haben verloren: CDU relativ viel, FDP desaströs und NPD immerhin signifikant. Anerkanntermaßen sind die Schnittmengen mit den LINKEN größer als die mit der CDU.

Bei allen möglichen machtpolitischen Spielchen, Einfluss- und Rücksichtsnahmen, mit denen zu rechnen ist, bleibt zu hoffen, dass die Akzeptanz der parlamentarischen Demokratie bei den Bürgern durch die notwendigen Entscheidungen nicht geschwächt wird. Die Wahlergebnisse verunmöglichen diesmal das Argument, dass nur mit der einen oder anderen Partei eine stabile Regierung möglich sei!

Wäre noch anzumerken: Das allgemeine und medial verstärkte Erschrecken und Bedauern über den Wiedereinzug der NPD in den Landtag sollte sich in ein ernsthafteres Nachdenken über die Gründe wandeln. Das Problem der sukzessiven Zerstörung einer demokratischen Gesellschaft liegt nicht in ihren Rändern, sondern in ihrer Mitte – denn genau dort ist die Ohnmacht der Politik allenthalben zu beobachten. Oder, wie ich es bei Hans-Dieter Schütt im „Neuen Deutschland“ gelesen habe: „Das rettende Gegenteil von Neonazismus ist nicht Antifaschismus, sondern bleibt: eine funktionierende Demokratie.“ Aber das ist dann auch schon wieder ein eigenes Thema!

Sonderparteitag – Die Entzauberung der Grünen

26 Jun

Die Grünen überlisten sich wieder selbst, und die Medien applaudieren verhalten

Regelmäßig, immer wenn es ernst wird, entzaubern sich die Grünen selbst, wie dies sonst besser nur die SPD beherrscht. Der Parteitag am Sonnabend zeigte, es geht ein prinzipieller Riss durch diese Partei wie durch jene. Das war öffentlich zu besichtigen, aber zugleich wurde es, wie üblich, dementiert. Die Mehrheit der Delegierten folgte schließlich der Parteispitze, der offensichtlich Koalitionsfähigkeit nach allen Richtungen zu demonstrieren wichtiger war, als gesteckte Ziele unbeirrt zu verfolgen.

Diese Rücksichtnahme auf „Freundinnen und Freunde“ und potentielle Wähler aus der bürgerlichen Mitte, die statusbedingt lieber behalten, was sie haben, könnte sich als fatal erweisen; denn diese Haltung ist zynisch, verrät sie doch die Bewegung, an deren Spitze man zu marschieren vorgibt. Das mag zwar zu Ministersesseln führen, aber nicht zu notwendigen politischen Veränderungen.

Jener Riss geht nicht nur durch die Parteien, er geht durch die ganze Gesellschaft. Die Kluft zwischen der herrschenden Klasse und dem „Volk“ wächst unbeirrt – und mit ihr die Wut der Enttäuschten!

„Wach endlich auf, SPD!“

9 Apr

Solche Rufe sind wohl der verzweifelte Ausdruck einer noch immer bei Vielen latent vorhandenen  Hoffnung, die SPD möge zurückfinden zu ihren Wurzeln,  sie möge aufwachen und die gesellschaftliche Realität zur Kenntnis nehmen. Aber nicht, um sich in ihr pragmatisch mitregierend deren „Sachzwängen“ anzubequemen, sondern, um ihr gemeinsam mit allen sich formierenden alternativen Kräften entgegenzutreten. Nur so wäre zu hoffen, der unheilvollen Dynamik des etablierten Systems, dieses verändernd, Einhalt zu gebieten.

Soll sich diese Hoffnung erfüllen, muss die SPD aus der Mittäterschaft wieder ins Lager der Empörung wechseln, und sich von den Kostgängern des Kapitals befreien.

Mit einem einfachen Aufwachen ist es da nicht getan!

„Wach endlich auf, SPD!

Samstag, der 9. April 2011, 10:54 Uhr von daburna

Die Arbeiterhymne “Die Internationale” beginnt mit der Zeile: “Wacht auf, Verdammte dieser Erde”. Diese Aufforderung möchte man der SPD zur Zeit entgegenwerfen. Es kommt einem fast vor, als gehört die Partei in der bundesrepublikanischen Realität 2011 zu den “Verdammten”. Wach endlich auf, SPD!

Man kann den Bündnisgrünen nur gratulieren. Sie nutzen die gesellschaftliche Stimmung und die Schwächen der schwarz-gelben Regierung gekonnt aus. Die Folge ist ein Rekordumfragewert für die Partei Bündnis 90/Die Grünen. Zwar steht die SPD besser da als bei der verlorenen Bundestagswahl 2009, doch aufgerappelt hat sie sich noch immer nicht. Steh auf, SPD! …“ Weiterlesen

Siehe auch: Im Schatten!

Libyen – Kanonenbootpolitik im 21. Jahrhundert und eine Debatte im Bundestag

24 Mär

„Ein wenig Kanonenbootpolitik ist manchmal angebracht, aber leider hat im Moment keiner unserer Politiker auch nur ein wenig Format.“ (eine Stimme aus dem Volk)

„Ich bin glücklich , dass wir nicht mitmachen, ich bewundere Angela Merkel, dass sie uns aus diesem Abenteuer heraushält.“ (Martin Walser)

Bomben auf Libyen, und die Börsen jubeln! Warum? Bis gestern hatte der Westen noch prächtige Geschäfte mit Gaddafi gemacht und so manchen Eiertanz um das skurrile „Goldene Erdöl-Kalb“ vollführt. Hatten dabei Demokratie und Menschenrechte je eine Rolle gespielt? – Eher doch das Gegenteil: Mangel und Defizite in diesen Fragen schienen, wie überall, der beste Garant für beiderseitige Vorteilnahme zu Lasten der unterdrückten Landeskinder zu sein.

Es gab allerdings schon immer Zweifel an der Zuverlässigkeit dieses ominös-skurrilen Diktators und so auch immer wieder Hoffnungen, ihn irgendwann durch einen weniger eigenwilligen ersetzen zu können.

Jetzt, im Zuge des anbrechenden arabischen Frühlings, schien die Gelegenheit gekommen zu sein, sich Gaddafis zu entledigen. Allerdings, in Libyen ist die Lage  unübersichtlicher als dort, wo die Despoten „freiwillig“ das Feld räumten. Gaddafi, der dem Westen gegenüber sich nichts hatte zuschulden kommen lassen, begann sofort, ja auch im Gefühl der Pflichterfüllung seinen Partnern gegenüber, die Aufständischen konsequent zu bekämpfen. Brutal, und nicht ohne Erfolg, wie man widersprüchlichen Informationen entnehmen kann.

Vor allem die französischen, englischen und us-amerikanischen Hardliner haben sich nun aber einmal darauf versteift, die „Gunst der Stunde“ für einen Regimewechsel in Libyen zu nutzen – nicht ungern, hatte sich der Westen doch auch zu lange den Vorwurf gefallen lassen müssen, bisher nur zögerlich die Volksbewegungen in der arabischen Welt unterstützt zu haben. Zudem: Volksbewegungen man weiß nie, was dabei herauskommt, und da ist es machtpolitisch und wirtschaftsstrategisch schon sicherer, man ist selbst vor Ort!

Leider haben sie nichts gelernt. Weder aus der Geschichte noch aus der unbefriedeten Gegenwart im Nahen und Mittleren Osten. Sie manövrieren sich erneut in ein Desaster,  und ruinieren weiter ihren Ruf. Die USA, die im Moment  nicht die allerdümmste Regierung hat, erwägt bereits ein militärisches Zurückrudern, da abzusehen ist, dass das politische Ausschalten Gaddafis, das von der UNO-Resolution nicht gedeckt ist, weder in wenigen Tagen noch ohne Bodentruppen gelingen wird. Sarkozy nutzt indessen geschickt die Chance, in die Führungslücke zu springen, die ihm Obama und die darüber zerstrittene NATO anbieten. Aber, wie R. L. einst so schön bemerkte, „Die Schlausten sind auch hier, wie in allen großen Dingen, die Klügsten nicht.“

Auch im deutschen Bundestag gibt es eine Menge dieser Spezies. Als die Bundeskanzlerin erfreulicherweise und ausgesprochen klug ihre Freunde und Gegner verblüffte, indem sie ihren Außenminister die militärische Nichtbeteiligung bei der Libyen-Mission und die Stimmenthaltung Deutschlands im UNO-Sicherheitsrat verkünden ließ, hatten die Falken auf den Oppositionsbänken nichts Eiligeres zu tun, die von Merkel hinterlassene Lücke deutscher Kriegswilligkeit wieder zu schließen. Ob sich dies am Ende für die so zynisch Opponierenden auszahlt, wird sich noch zeigen.

Dem außenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, misslang allerdings, sich dergestalt staatstragend  zu geben. Seine argumentative Unbestimmtheit, ließ zu vielen Vermutungen Raum, so dass man am Ende seiner Rede – sollte man sagen, zum Glück für die SPD? –nicht wusste, woran man bei ihm war.

Künast dagegen forderte ohne Umschweife: endlich „… Verantwortung mal anzunehmen!“. So wie einst Joschka  Fischer, als es gegen Miloševič ging?

Was die Opposition als Alternative zur Regierung im Bundestag am 18.März da anbot, war jedenfalls für den, der eine Abwahl von Schwarz-Gelb mit friedenspolitischen Hoffnungen verbindet, mehr als frustrierend.

Die einzige Ausnahme machte Jan van Aken von den „nicht regierungsfähigen“ Linken. Er brachte auf den Punkt, was die Regierung zu tun hätte, wäre es ihr Ernst mit ihrer Ablehnung dieses militärischen Abenteuers.

Hartz IV – Gabriel überlässt Klage gegen Regelsatzberechnung anderen

21 Feb

Sigmar Gabriel heute im Deutschlandfunk:

„…
Dirk Müller: Das Bundesverfassungsgericht hatte ja, wenn wir das richtig verstanden haben, die alte Regelung kritisiert und als nicht verfassungskonform eingestuft, und das ging auf die SPD zurück.

Gabriel: Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, die Berechnungsgrundlagen müssen neu gemacht werden, und dem haben wir uns zu fügen. Damals haben übrigens alle Parteien auch im Vermittlungsausschuss diese Berechnungsgrundlagen miteinander verabredet. Jetzt mussten wir sie neu machen. Es gibt nach wie vor erhebliche Zweifel, ob die Grundlagen, die die Bundesregierung wählt, verfassungsgemäß sind. Da geht es aber nicht um die Höhe, sondern da geht es um die Frage, ist das korrekt berechnet. Ich bin ziemlich sicher, dass wir wieder eine Klage bekommen werden. Wir wollten jetzt diese Geschichten hier nicht noch endlos hinziehen, und deswegen haben wir uns gestern geeinigt darauf, dass zum 1. 1. 2012 zwei Dinge passieren. Erstens: es gibt eine Erhöhung, die sich entlang der Preissteigerung entwickeln wird. Das wissen wir heute noch nicht, wie hoch die ist. Und dort obendrauf gibt es zum 1. 1. 2012 diese insgesamt dann 8 Euro Erhöhung pro Monat. Das ist das, was gestern mit der Union möglich war. Mehr war mit der Bundesregierung nicht zu vereinbaren.

Müller: Herr Gabriel, wir haben noch gut eine halbe Minute. Dennoch die Frage. Das heißt, die Grünen sind ausgestiegen mit der Argumentation, alles nicht verfassungskonform. Könnten die recht haben?

Gabriel: Die könnten recht haben, ja. …“

Das ganze Interview

Hartz IV-Verhandlungen und ein Appell der grünen Basis

20 Feb

Auf dem Blog der Greifswald wird Grün entdeckte ich zu meiner Freude, was Peter Alberts (Münster) in seinem Blog schrieb und was einem Unbehagen entspringt, das auch in Teilen der SPD-Basis nicht unbekannt sein dürfte:

„Sonntag, 20.02.2011 – in Berlin tritt am Nachmittag die Verhandlungsrunde zur Hartz IV-Neuregelung zusammen. In der Diskussion steht ein Vorschlag der drei Ministerpäsidenten Beck, Seehofer und Böhmer, der meiner Meinung nach ein erneuter Verfassungsbruch mit Ansage wäre. Anlass für grüne FreundInnen und mich einen Appell an die Grünen VerhandlerInnen dieser Runde zu schreiben und sie darin zu bestärken, diesen faulen Kompromiss abzulehnen. Der Appell wurde am 20.02.2011 mittags gegen 12:30 an den Bündnisgrünen Bundesvorstand und die bündnisgrünen Bundestagsabgeordneten aus Fraktionsvorstand und Arbeitskreis 1 verschickt…“

Armutsfest statt Almosen

Es geht um die Menschenwürde

Wenn wir über eine grüne Position zur Neuregelung der Hartz IV-Gesetzgebung nachdenken, ist es notwendig, sich zuerst die Prämissen dafür noch einmal klar zu machen. Der Hartz IV-Regelsatz beschreibt das absolute Minimum, das für ein menschenwürdiges Leben in diesem Land notwendig ist. Deswegen ist er keine beliebige politische Stellschraube, an der in die eine oder andere Richtung gedreht werden kann, sondern er hat direkte und unmittelbare Relevanz für das oberste Staatsziel des Grundgesetzes, die Wahrung der Menschenwürde. … „
Weiterlesen: Appell „Armutsfest statt Almosen“

Siehe auch; „Hartz IV – der Regelsatzkrampf und die SPD“

Hartz IV – der Regelsatzkrampf und die SPD

18 Feb

Im Kern geht es um eine transparente und schlüssige Berechnungsgrundlage für die Hartz IV Regelsätze.

Was die Regierung bisher vorgelegt hat, mit diesen 5 Euro mehr, scheint eine Farce zu sein und die entsprechende Neuberechnungsgrundlage unanständig und falsch. Sie wird  schwerlich die nächste Klage überstehen.

Hauptaufgabe der Opposition wäre, nur einer Regelsatzberechnung zuzustimmen, die der im Verfassungsgerichtsurteil angemahnten Menschenwürde gerecht wird. Die Regierung will nun partout den Regelsatz nicht weiter erhöhen. Sie hat die Berechnungsgrundlagen ein wenig hin- und hergedreht und hofft, damit so durchzukommen. Menschenwürde scheint ein sehr dehnbarer Begriff zu sein.

Andererseits hat von der Leyen irgendwie Recht.

Erstens: man kann das ganze ja letztlich doch mit Menschenwürde im Zusammenhang stehende Sozialsystem nicht durch ein paar Euro mehr oder weniger retten.

Und zweitens:  die Opposition hat die Debatte völlig überfrachtet. Nicht, dass deren Forderungen unberechtigt wären. Aber die Opposition will ihre Zustimmung von der Durchsetzung von Forderungen abhängig machen, die nicht in direktem Bezug zum Verfassungsgerichtsurteil stehen. Im Grunde ist das Erpressung – ein Argument für die Regierung, das viele überzeugt.

Von der Leyens psychologische Fähigkeiten sind nicht zu unterschätzen. Sie kennt das Harmoniebedürfnis der SPD. Sie weiß, die werden zustimmen, weil sie nicht schuld sein wollen an einer weiteren Verzögerung der Auszahlung der 5 Euro mehr und am Scheitern einer besseren Finanzierung der Kommunen, die die Regierung, nun ihrerseits trickreich an die Zustimmung der Opposition geheftet hat. Bei einer stringenten Oppositionspolitik wäre die sowieso längst fällig gewesen, da die Finanzausstattung der Kommunen durch den Bund skandalös ist.

Die SPD hat sich nun auch, wie man hört, ohne eine eigene Regelsatzberechnung vorzulegen, auf eine bestimmte Höhe des Regelsatzes festgelegt. Das war nicht eben klug, denn damit tut sie es der Regierung gleich und lässt sich auf den Kuhhandel ein. Sie wird am Ende ihre geforderten zusätzlichen 3 Euro bekommen, denn von der Leyen hat Verständnis für Gesichtsverlustängste. Der Preis? Die SPD wird nicht mehr Nein sagen können und sitzt nun mit im Boot. Genau da, wo sie von der Leyen hin haben wollte. Sie brauchte nur eine Stimme und vereinnahmt die ganze SPD. Und die wird ihrerseits trotz der vermiedenen„Gesichtsverluste“ beschädigt aus dem Treffen gehen. Das wird spätestens dann offenbar, wenn die realen Folgen der runderneuerten Hartz-IV-Gesetzgebung für alle Beteiligten zu Tage treten. Und als Erfolg für die SPD werden beim Wähler nur hängen bleiben die drei schäbigen Silberlinge. Alles andere wird die CDU für sich verbuchen können.

 

Je länger mit dieser Taktik weiter verhandelt wird, desto mehr sinken die Aktien der SPD, denn ihr Lavieren wird zu Recht negativ bewertet – nicht nur von den von Hartz IV Betroffenen.

Ob Kurt Beck mit seiner Verhandlungsinitiative, die das Scheitern des Gesetzes im Bundesrat verhinderte, sich und der SPD einen guten Dienst erwiesen hat, wird sich zeigen.

Vorerst aber scheint es bei dem zu bleiben was Jakob Augstein bei Anne Will sagte: „Das Problem dieses Gesetzes ist …, es entwürdigt permanent Menschen.“ Und: „Hartz IV hängt ihr [der SPD] wie ein Mühlstein um den Hals.“

 

 

Lesenswert auch ein ND-Artikel von heute (17. Jan. 2011), der meinen Verdacht verstärkt, es werde mit den neuen Regelungen nicht besser, sondern schlechter: „Fünf Euro sind nicht der einzige Skandal“ von Friedrich Putz:

 

http://www.neues-deutschland.de/artikel/191174.fuenf-euro-sind-nicht-der-einzige-skandal.html

 

Manuela Schwesig im Bundestag (zu Hartz IV)

4 Okt

Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin hat ihr Rederecht als Mitglied des Bundesrates wahrgenommen. Ihre erste Rede macht ihr und der SPD alle Ehre. Die Herren der Regierungsparteien benahmen sich mehr als ungalant. Ein verklemmtes  Zeichen ihres uneingestandenen Respekts? Oder nur die Angst der Platzhirsche vor einer klugen Frau, die man durch pöbelhaftes Röhren verunsichern will?

Rede in Bild und Ton

Meinungsfreiheit

15 Sept

Sarrazin und die SPD (Teil II)

Als in der DDR sozialisierter Bürger habe ich unter Meinungsfreiheit immer verstanden, dass man in einem Land, wo diese herrscht, für politisch relevante Äußerungen, nicht mit staatlichen Repressionen zu rechnen hat. Die DDR verfügte über eine ganze, fast alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens berührende Palette von Disziplinierungsmaßnahmen. Vom vertrauensvollen Gespräch über zur Farce verkommene „Kritik und Selbstkritik“, Relegationen, Versetzung auf andere Arbeitsplätze und Ausbürgerung bis hin zu langjährigen Haftstrafen. Von der Wiege bis zur Bahre schwebte über den Häuptern der „sozialistischen Menschengemeinschaft“ die Gefahr des falschen Wortes zur falschen Zeit am falschen Ort. Das alles war freilich stark differenziert. Die Maßstäbe waren in vieler Hinsicht verschieden, sozusagen individualisiert und vom jeweiligen  Individuum instinktiv verinnerlicht. Und es gab Strategien, damit umzugehen. Und es gab Freiheitsgrade, die der Einzelne sich „erobern“ konnte, und es gab andererseits von den meisten, selbst den demonstrativ Ausreisewilligen, anerkannte Grenzen.

Das alles gibt es nicht in der Bundesrepublik, wo Meinungsfreiheit durch das Grundgesetz verbürgt ist!

Indessen scheint mir in gegenwärtigen Diskussionen die Inanspruchnahme dieser „Meinungsfreiheit“ stark überdehnt. So wird das Verfassungsrecht von Sarrazin und seinen Fans in Anspruch genommen und so argumentiert, als könne man hierzulande, in welcher Position und unter welchen Umständen auch immer, ohne die geringsten persönlichen Konsequenzen, verantwortungslos über jedes Thema schwadronieren.

Nun stelle man sich aber vor, der Vorsitzende eines Philatelistenvereins ginge in die Medien mit dem Statement, Briefmarkensammeln sei eine hirnrissige Tätigkeit. Oder eine Mitarbeiterin der Deutschen Bank schriebe im „Handelsblatt“, 25 Prozent Eigenkapitalrendite vor Steuern sei Wahnsinn, und die „Deutsche Bank“ solle vernünftigerweise verstaatlicht werden. Oder der Umweltminister revidierte seine Meinung und setzte sich für die Abschaltung aller Kernkraftwerke ein. Meint wirklich einer, da würde die Berufung auf „Meinungsfreiheit“ vor den entsprechenden Konsequenzen schützen, die jedem sofort unwillkürlich vor Augen stehen?

Die Bundesbank hat Sarrazin für sein Entlassungsgesuch bezahlt. Der SPD ist solcher Weg aus der Falle nicht beschieden. Klar ist, dass Sarrazin die Grenze des Erträglichen für die Partei überschritten hat. Viele seiner Äußerungen sind ein Hohn auf die noch gültigen Grundwerte dieser Partei. Aber wer ist diese Partei? Wer ist noch, nach jahrelangem Aderlass, in dieser Partei? So mag sich Gabriel, ähnlich wie der Bundespräsident, die Augen gerieben haben, als er massiv mit Meinungsäußerungen von zu vielen Genossinnen und Genossen (wie viele weiß keiner so recht) konfrontiert wurde aus einer Ecke, die sich als Mitte entpuppte. Eine Partei ist nun aber kein Marktplatz.  Sie repräsentiert als „Partei“ mitnichten das Ganze, wenn sie auch das Ganze im Blick haben sollte. Eine linke Volkspartei hat, bei Strafe ihres Untergangs, das Recht und die Pflicht, sich von dem abzugrenzen und das auszuschließen, was ihr nicht entspricht, was ihr und denen schadet, für die sie angetreten ist. Mit einer beschworenen Gefahr für die Meinungsfreiheit in diesem Lande hat das alles nichts zu tun. Jede Partei hat ihre Sarrazine und Steinbäche. Der Ausgang des Parteiausschlussverfahrens ist nur deshalb für die Leitmedien so spannend, weil er, wie auch immer, über die SPD mehr aussagen wird, als ihrer Führung derzeit lieb ist.

Sarrazin und die SPD

3 Sept

Sarrazin ist SPD-Mitglied und will es nach kürzlich eigenem Bekunden bis an sein Lebensende bleiben. Nun muss man für ihn nicht fürchten, dass die Partei sein Ein und Alles ist, und ein Leben nach einem Ausschluss für ihn keinen Sinn mehr hätte, obwohl er zugegebenermaßen auch schon zu Zeiten, als er und die SPD noch mitregieren durften, immer wieder sein Bestes gab, das trotzig erkämpfte Negativimage seiner Partei zu befestigen. In Erinnerung blieben die unsäglichen,  ausgrenzenden Diffamierungen einer „gefühlten“ sozialschmarotzenen Unterschicht, der er selbstgestrickte Pullover gegen zu hohe Heizkosten empfahl. Die Kritik des sozialen Gewissens aus fast allen politischen Lagern bekümmerte ihn wenig, konnte er doch hoffen, dass seine Ausfälle „ganz oben“ wohlwollend geduldet wurden. Nach der drastisch verlorenen Bundestagswahl und dem Marsch in die ungeliebte Opposition drehte sich langsam der Wind. Ob er es nicht merken wollte? Er hatte noch zu viel auf Lager, arbeitete unverdrossen an seinem Buch, und brachte es schließlich mit perfekter Medienpräsenz vor die Öffentlichkeit. Das Erschreckende ist nun nicht, dass da einer ist, der moderne rassistische Thesen vertritt und verbreitet und sich, auch international, in die erste Reihe brandstiftender Demagogen stellt. Es ist das Echo! Allenthalben heißt es: Der Mann hat recht! Er sagt doch nur was alle denken! Und das sagt mehr über unsere Gesellschaft aus, als wir uns wünschen. Das allerdings könnte Sarrazins Verdienst sein. Ein brandgefährliches Verdienst, wo doch jeder, der eine öffentliche Rolle zu spielen in der Lage ist, wissen müsste, dass in Krisenzeiten Blitzableiter für den Volkszorn gesucht werden, und dass es regelmäßig die Schwächsten der Gesellschaft trifft, die Minderheiten, die Randgruppen, die Außenseiter und „schwarzen Schafe“. Und – das Echo verweist auf eine Politik, die zur Mitverursacherin der Weltfinanzkrise wurde, und deren Krisenmanagement zwar die Banken vorerst rettet, aber um den Preis einer weiteren Vertiefung gesellschaftlicher  Spaltungen.

Diesmal hat Sarrazin in die rassistische Trickkiste gegriffen und damit den Bogen überspannt. Die „Causa Sarrazin“ wurde für die politische Klasse zu eklatant. Die Kanzlerin reagierte schnell. Keiner weiß genau, was sie dazu bewog, sich diesmal gegen ein Aussitzen zu entscheiden – waren es ihre seismographischen Fähigkeiten, kluge Beraterinnen, oder war es das Zaudern des amtierenden Oppositionsführers? Jedenfalls – sie  gab den Takt vor, der Bundespräsident gab den entscheidenden Tipp und die Bundesbank zog die unvermeidlichen Konsequenzen.

Und Sarrazins SPD? – Die Parteispitze will nun den Ausschluss. Aus unerfindlichen Gründen will Gabriel aber „keinen kurzen Prozess“, wie z. B. in Diskussionen der Berliner Parteibasis gefordert. Sollen sich erst beschämende Solidaritätskomitees für Sarrazin und für „Meinungsfreiheit“ in der SPD gründen? Soll am nun wirklich falschen Objekt demonstriert werden, wie demokratisch die Partei ist? Meinungsfreiheit muss auch in einer Partei ihre Grenze finden, dort, wo sie zur Verletzung ihrer Grundwerte missbraucht wird. Das sozialdemokratische Talent zum Zaudern zur Unzeit könnte für die Partei zum Fiasko werden. Nach verpassten Gelegenheiten muss Sarrazins Mitgliedschaft nun so schnell wie möglich vom Tisch!